Maria Faust Sacrum Facere – Marches Rewound & Rewritten

Maria Faust befreit den Marsch von einem Werkzeug der Tyrannei und macht ihn zu einem eigenständigen Werk. Faust’s Werke sind für ihre Sozialkritik bekannt, und sie scheut sich nicht, in ihrer Musik politische Ansichten zu äußern.

Die estnische, in Kopenhagen lebende Komponistin und Saxophonistin Maria Faust (1979) wuchs in der Sowjetunion auf. Hier gehörte der Marsch als Propagandamittel zum Soundtrack ihres täglichen Lebens. Schon früh gewöhnte sie sich, wie viele andere Bürger der Sowjetunion, daran, die Welt zwischen den Zeilen zu lesen, die Musik als Versteck zu nutzen und zu lernen, dass die Kunst oft der einzige Ort ist, an dem man Freiheit und Wahrheit finden kann.

Sie ist der festen Überzeugung, dass dem Künstler eine Stimme gegeben wurde und er verpflichtet ist, sie zu nutzen. Sacrum Facere (lateinisch: menschliche Skarifikation) wurde 2014 von Faust gegründet, um nicht nur eine Band zu sein, die ihre Musik spielt, sondern auch um die musikalischen und philosophischen Ideen zu transportieren. Mit den beiden vorherigen Alben von Sacrum Facere: „Sacrum Facere“ und „Organ“, thematisierte Faust den Platz und die Aufgabe der Frau in der Gesellschaft (christlich und nicht-christlich) und die weibliche Identität in Bezug auf reproduktive Zwecke und Rechte.

MRR ist ein sozialkritisches Werk, das die Aufmerksamkeit auf die alten Schmerzpunkte unserer Welt lenkt – Tyrannei, Hierarchie, Gewalt, den Wert des menschlichen Lebens – und ist eine Fortsetzung des Chorwerks „Mass of Mary“, das für die Opfer von häuslicher Gewalt geschrieben wurde. Wie Kriege beginnen, ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Wo fängt es an? Wie können wir den Kreislauf der Gewalt durchbrechen? MRR befasst sich sowohl mit dem häuslichen Krieg als auch mit der Gewalt im großen Stil, wie sie in Kriegen zwischen Ländern und Glaubensrichtungen vorkommt.

Wie bei den Vorgängeralben von Sacrum Facere hat schon die Instrumentierung eine große symbolische Bedeutung. Diesmal liegt der Schwerpunkt auf der kleinen Trommel. Indem sie die sich wiederholenden Elemente der Propagandamusik von Diktaturen auf den Kopf stellt, verlangsamt, zurückspult und heranzoomt, hat Maria Faust eine neue Landkarte des Marsches geschaffen, die ihn entlarvt, seine pompösen Lügen zerschlägt und ihn scheitern lässt – und ihn damit befreit. Gleichzeitig hat sie den Marsch von einem Werkzeug der Tyrannei befreit und ihn zu einem eigenständigen Werk gemacht – wie es die Musik sein sollte.

Liner notes by The President of Estonia Toomas Hendrik Ilves (2006-2026)
Maria Faust, Estonian-Danish saxophonist extraordinaire re-imagines music’s most militaristic form, the march, a form first and foremost associated with armies, manly valor; too often the form is propagandistic, commemorating victories or even even celebratory and festive, such as the familiar Radetzky March. We forget, however. that for the victims of war, those who hear the beat of the drum and marching feet in their own towns and countryside, the sound of an approaching army rarely augurs well. For civilians, the innocent victims of war, the sound of marching armies means death, destruction and, as we have seen in Russia’s invasion of Ukraine, the most horrific of crimes — torture, extrajudicial killings and mass rape.

The tragedy of what the civilian faces in war is brought to the forefront in this record where the march, the customary musical accompaniment to war and armies, is hardly celebratory but covers a broad range of emotions — tragic, ominous, foreboding and mournful, to complement its more traditional role keeping marching soldiers in step. To this end, and appropriately for the march form, Faust’s compositions use far more percussive elements than we are used to with jazz records. Indeed, this record is above all a dialogue between a broad palette of emotions available to and expressed by Maria Faust’s magnificent playing, and the relentless, driving presence of the snare drum, ever reminding us that there is a war going on.

For too many, war is something abstract, glorified and exalted, part of the culture’s DNA, a source of national pride, true of too many empires, past and present. Others, those whose history has largely avoided war, labor the abstraction of a naive notion of “peace”, i.e.. that we wouldn’t have to bother thinking about war if only its victims submitted, surrendered. Then all would be well and our comfortable lives wouldn’t be inconvenienced by other people’s tragedy.

And for some, war, its effects, the suffering and horror and its consequences of occupation and reprisals, the march is a part of living memory, quite real and tragic. This is what Maria Faust makes us understand.

Maria Faust – alto saxophone. Francesco Bigoni – tenor saxophone, clarinet. Anders Bank – bass clarinet, baritone horn. Kasper Tranberg – trumpet. Mads Hyhne – trombone. Jonatan Ahlbom – tuba. Emanuele Maniscalco – snare drum. Peter Ole Jørgensen – bass drum, crotales, percussion.

MARCH NR. 1.1 / MARCH NR.1.2 / MARCH NR. 3 / MARCH NR. 2 / MARCH NR. 4 / MARCH NR. 5 / MARCH NR. 0 / MARCH NR. 6.1 / MARCH NR. 6.2.

 

LP: STULP 25071 / CD: STUCD 25072. Maria Faust Sacrum Facere, MARCHES REWOUND & REWRITTEN, Stunt Records, Sundance Music ApS, 2025

Stunt    Vertrieb: inakustik /The Orchard

STUCD 25072 / 663993250724

STULP 25071  / 663993250717

VÖ: 30.05. 2025

Fotos I Cover