Christoph Stiefel Inner Language Trio - Embracing

Christoph Stiefel Inner Language Trio – Embracing

Nwog Rec / Vertrieb: EDEL

 

Veröffentlichung: 08. März 2019

 

Christoph Stiefel Inner Language Trio „Embracing“

 

05. März 2019, 20:30 Uhr Basel (CH), Birds Eye Jazz Club

06. März 2019, 20:30 Uhr Basel (CH), Birds Eye Jazz Club

09. März 2019, 20:30 Uhr Zürich (CH), Moods im Schiffbau - CD-Taufe

11. März 2019, 20:30 Uhr Baden (CH), Isebähnli

13. März 2019, 20:15 Uhr Frauenfeld (CH), Eisenwerk Theater

14. März 2019, 20:30 Uhr Bern (CH), Widmarhallen , Bejazz

15. März 2019, tba Uhr    Affoltern am Albis (CH), La Marotte

16. März 2019, 20:30 Uhr Glarus (CH), Soldenhoff-Saal

09. April 2019, 21:00 Uhr Lugano, Jazz in Bess

11. April 2019, 20:00 Uhr Worms (D), BlueNite 

22.Oktober 2019 20.00 Uhr Kassel (D), Theaterstübchen

25. Oktober 2019, 20:00 Uhr Bayreuth (D), Bechersaal

28. November 2019, 20:30 Uhr Altdorf (CH), Theater Uri

29. November 2019, 20:30 Uhr Lausanne (CH), Chorus

30. November 2019, 20:00 Uhr Weil der Stadt (D), Klösterle

 

Die permanente Evolution

Wo und wann wird aus der Aneinanderreihung von Tönen Musik? Erfolgt diese Transformation bereits in den Fingern des Musikers, oder fügen sich die Töne erst im Ohr des Hörers zum klingenden Kunstwerk? Klingt ein Sommerton anders als ein Winterton? Der schweizerische Pianist Christoph Stiefel beschäftigt sich seit Jahrzehnten ausgiebig mit diesen musikalischen und energetischen Übersetzungsprozessen und kommt auf der neuen CD seines Inner Language Trios „Embracing“ zu verblüffenden Ergebnissen.

 

Christoph Stiefel ist mit dem Inner Language Trio schon seit vielen Jahren unterwegs und wählt seine jeweiligen Mitspieler nach den aktuellen künstlerischen Herausforderungen aus. In der gegenwärtigen Version des Trios tritt er mit Bassist Lukas Traxel und Drummer Tobias Backhaus an. Beide sind wesentlich jünger als der 57-jährige Pianist. Stiefel liebt es nicht, sich in seinen musikalischen Aussagen zu wiederholen, er sucht nach dem Neuen in der Kontinuität. Mit Traxel und Backhaus kann er die Intensität des Momentums immer auf Augenhöhe zelebrieren. Traxel und Backhaus bringen genau die Energie und Risikobereitschaft ein, mit der Stiefel rhythmische Energie in pure Lebensfreude übersetzen kann. Darüber hinaus verfügen sie über die Reife und Hingabe, in den ruhigen Stücken mit wenig Tönen gemeinsam eine dichte und starke Stimmung zu erzeugen.

 

Das Klaviertrio ist nicht nur eine der ältesten, sondern vor allem auch eine der konventionellsten Konstellationen im Jazz. Christoph Stiefel bekennt freimütig, dass Jazz für ihn nach wie vor die spannendste aller Kunstformen ist. Und doch oder gerade deshalb sucht er nach individuellen Verabredungen innerhalb der Koordinaten des Jazz, mit denen er den Hörer – den er ja per se gar nicht kennt – erreichen kann. Per Zufall ist er einst auf die Isorhythmik gestoßen, ein mittelalterliches Kompositionsprinzip mit rhythmischen Verschiebungen, das unter anderem in den Motetten des berühmten Komponisten Guillaume de Machaut Anwendung fand. Nun ist Stiefels eigene Musik definitiv keine Fusion aus Jazz und mittelalterlichen Klängen. Sie spielt ganz und gar im Hier und Jetzt, doch macht er sich die aus der Isorhythmik entstehende innere Spannung zunutze, um den Hörer gemäß dem Motto seines Albums zu umarmen. Es geht ihm nach eigenen Worten nicht so sehr darum, isorhythmisch zu spielen, als darum, mit der Isorhythmik zu spielen. Das mag wie ein Paradox anmuten, doch eine von Stiefels Maximen lautet, wenn das Konzept wichtiger wird als die Musik, dann geht die Musik kaputt. Mit anderen Worten, er bewegt sich weg vom vorgefassten Konzept, umarmt den Hörer im natürlichen Fluss der Dinge und überlässt es diesem auch, was er aus den musikalischen Angeboten macht.

 

Christoph Stiefel betont, dass jeder Musiker des Trios seinen eigenen Weg finden muss. Diese drei Wege treffen sich dann zu einer gemeinsamen Route. „Diese Musik ist komplizierter zu spielen als zu hören“, so Stiefel. Mit dieser Haltung begibt er sich ungewollt in unmittelbare Nähe von Ornette Colemans Prinzip der Harmolodics, die ebenfalls gezielt darauf hinauslaufen, komplexe musikalische Strukturen in einfach nachvollziehbare Hörerlebnisse zu übersetzen. Oft genug verhält es sich im Jazz genau anders herum.

 

Die Koordinaten, zwischen denen „Embracing“ aufgehängt ist, könnten mit Klarheit und Kontur umschrieben werden. Stiefels kommunikative Verläufe orientieren sich weitaus mehr am Unvorhersehbaren, an der oft unergründlichen Logik des Lebens als an festgelegten kompositionstheoretischen Prinzipien. Die getriggerten Klangbewusstseinsströme erinnern hier an wechselhafte Horizontlinien, denen man sich annähern, da an offenliegende Ebenen, die man betreten kann. Aus der Autonomie jedes einzelnen Tones entwickeln sich musikalische Assoziationsketten, die das Virtuose in der Spiritualität hinter sich lassen. Stiefel, Traxel und Backhaus treiben ein hintergründiges Spiel mit organischen Prozessen wie Verdichtung und Entwirrung, das sich dem Hörer vermittelt wie ein offener Garten, dessen unterschiedlich gestaltete Anlagen ebenso zum Verweilen einladen wie zum inspirierten Weiterziehen. Es ist wohl nicht übertrieben, dieses Spiel mit Magie zu umschreiben.

 

Die sich daraus ergebenden Optionen sind unlimitiert. Für eine grenzenlose Musik bringen alle drei Musiker die vorbehaltlose Offenheit mit, auch ihre eigenen inneren Grenzen zu verschieben, um diese im gemeinsamen Spiel schließlich komplett aufzulösen. Keiner der drei Protagonisten steht im Dienst der jeweils anderen, jeder ist ein unverzichtbarer Teil des Ganzen und steuert somit auch sein Teil zum Ganzen bei. Bass und Schlagzeug begleiten das Klavier nicht, sondern komplettieren es. Schon beim Spielen spüren alle Drei, dass es höchst unterschiedliche Möglichkeiten gibt, diese Musik zu hören. Sie sprechen auch nicht den analytischen Intellekt des Hörers an, sondern seine schöpferische Bereitschaft, sich intuitiv einzulassen und eigene Übersetzungen zu finden. Und auf eben jene Übersetzungen läuft das innere Vokabular des Inner Language Trios immer wieder hinaus. Oder um es mit Stiefels Worten zu sagen: „Durch die Dimension der Mehrdeutigkeit entstehen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten.“

 

Eine Umarmung ist die Transformation von Energie eines Körpers auf einen anderen. Nichts anderes ist Musik. Ein unablässiger Fluss von Schwingungen von Sendern zu den Empfängern. Der norwegische Komponist Arne Norheim sagte, es gehe um nicht weniger als unerhörte Musik. Aber brauchen wir neue Begriffe, um das Unerhörte zu beschreiben, dem vielleicht gar nicht so neue Prinzipien zugrunde liegen, sondern die archaische Dynamik der Natur? Ganz sicher nicht. Auf „Embracing“ bringt Christoph Stiefel dem Hörer etwas entgegen, das sich nur von ganz wenigen CDs sagen lässt – das wundervolle Geschenk einer bedingungslosen Musik.