Eva Klesse Quartett - Miniatures

Eva Klesse Quartett - Miniatures

Yellowbird/Enja Records / EAN 767522976625 / Vertrieb: Soulfood

 

Veröffentlichung: 26. Oktober 2018

2018

04.08.2018 Regensburg, Nacht in Blau

09.10.2018 Goethe Institut Kairo (EGY)

10.10.2018 Goethe Institut Alexandria (EGY)

11.10.2018 Oper, Damanhur (EGY)

12.10.2018 Jazz Festival Cairo (EGY)

13.10.2018 Essen, Peng Festival

14.10.2018 Köln, Hochschule für Musik und Tanz

09.11.2018 Lüneburg, Kulturforum

11.11.2018 Meschede, Alte Synagoge

15.11.2018 München, Unterfahrt

16.11.2018 Werl, Stadthalle

17.11.2018 Hannover, Jazzclub

18.11.2018 Leipzig, Nato

20.11.2018 Berlin, A-Trane

2019

11.01.2019 Darmstadt, Jazzforum

16.02.2019 Villingen

18.02.2019 Illingen (Saar)

15.03.2019 Schweinfurt, Theater

 

19.-28.07.2019  China Tour

Vor genau zwei Jahren veröffentlichte das Eva Klesse Quartett sein zweites Album „Obenland“ und manifestierte damit seinen Status in der europäischen Jazzszene. Es folgten hervorragende Reaktionen der Medien, Einladungen zu Festivals und internationale Konzertreisen, die die Band bis nach Asien, Mittel- und Südamerika führten. Als „wild, romantisch, elegisch, packend“ beschrieb ein Kritiker der JazzThing die Musik von „Obenland“, im Weser Kurier wurde die „bestechend exakte Verzahnung“ der Band hervorgehoben. Ein Kollege der FAZ befand: „Vieles entwickelt sich fließend, typische Grenzen zwischen Komposition und Improvisation lo?sen sich unmerklich auf. Dank interessanter Melodien und Harmonien ist der Jazz des Eva Klesse Quartetts für unterschiedliche Hörer attraktiv und doch weit vom Mainstream entfernt.“

Nun also das dritte Kapitel dieser künstlerischen Erfolgsgeschichte: „miniatures – ten songs for chamber jazz quartet“. Sein Titel weist die Richtung, in die das ästhetische Pendel diesmal tendiert. Während auf „Obenland“ viele recht lange Stücke mit großer Dynamik und weiten Bögen fesselten, klingt das neue Album insgesamt inniger und klarer. Geblieben ist die spannende Interaktion unterschiedlicher Spielhaltungen und Charaktere, die viel zur besonderen Ausstrahlung des Quartetts beiträgt. Ebenso das aufmerksame gegenseitige Zuhören, sich gegenseitig Platz einräumen. Und das feine Gespür dafür, intensive Geschichten ohne Worte zu erzählen.

„Die Musik ist kondensierter, Improvisationen sind sta?rker mit den Kompositionen verzahnt“, beschreibt Pianist Philip Frischkorn die Entwicklung. Eva Klesse führt weiter aus: „Unsere Idee war diesmal, konkretere Bilder zu malen. Darüber hinaus ging es darum, eine gewisse Sparsamkeit, eine Ruhe auszuhalten.“ Man kann und darf das als Statement zu einer gesellschaftlichen Entwicklung lesen, in der Lauthälse und ungebremstes Getöse die Oberhand zu erlangen scheinen. Tatsächlich geht es der Band aber vor allem um eine künstlerische Aussage. Immerhin fällt es Jazzmusikern auch nicht immer leicht, Sparsamkeit auszuhalten. Philip Frischkorn, von je her der Klassik und klassischen Moderne zugeneigt, hat sich neue Parameter gesetzt, innerhalb derer er sich bewegt. „Diesen Herbst habe ich damit experimentiert, vor dem Komponieren zunächst das Tonmaterial festzulegen.Ich wollte innerhalb von strengen Grenzen nach Möglichkeiten für improvisative Freiheit suchen. Als Improvisator reisst man die Grenzen nicht ein, sondern man funktioniert sie zärtlich um.“ Kein Wunder, dass Frischkorns individuelle Skalen lebendiger und weit weniger streng klingen als historische Reduktions-Konzepte, etwa serielle oder Zwölftonmusik.

Die persönliche Herangehensweise der Komponisten – neben Frischkorn haben Evgeny Ring und Eva Klesse Stücke geschrieben – fällt recht unterschiedlich aus, was viel zur subtilen Spannung des Albums beiträgt. Zudem entwickeln einige Stücke eine überraschende Dynamik. Etwa Frischkorns anfangs fast impressionistisch anmutendes „M.'s Dreaming“, dessen verhaltene Stimmung nach einer guten Weile jäh umschlägt. Rings „Orm“ verschmilzt schnelle Klavier-Arpeggien, rhythmische Verwirbelungen und markante Saxophonphrasierungen zu einem eindrucksvollen Strom, der das philosophische Konzept, von kreativer Energie durchströmt zu werden, höchst lebendig macht.

Klesses Stücke, die oft als Songs ohne Worte figurieren, reflektieren konkrete Lebenssituationen.

„Back and forth“, das zwischen hektischem Vorwärtsdrang und Wartepositionen changiert, entstand schon vor einiger Zeit, als Klesse zwischen New York und Deutschland pendelte. „Es passt aber auch in die letzten eineinhalb Jahre unserer Bandgeschichte, als wir zum Teil unglaubliche Strecken während unserer Tourneen zurücklegten, die uns einmal um die halbe Welt führten“, erzählt die Schlagzeugerin. „Es geht einfach um die irren Aspekte des Reisens, also über 20 Stunden am Stück in Flugzeugen und an Flughäfen zu verbringen, 30 Grad Temperatur- und Zeitunterschiede wegzustecken und dergleichen.“ Häufig durchweht Klesses Musik ein Hauch von Melancholie, man höre nur die lyrische „Ballade auf zwei Beinen“, in der Robert Lucaciu mit feinem Bogenstrich brilliert. Oder das latent mysteriöse, zu beängstigender Größe anwachsende „Gravity“, von Klesse an einem Tag in New York geschrieben, „als sich die Schwerkraft besonders drückend anfühlte.“ Dagegen ist „Still Enough“ von einer Geschichte des Schriftstellers Patrick Bruel inspiriert. „Ich bin ein großer Fan von melancholischer französischer Musik“, erklärt Klesse. Ganz anders klingt ihr „Irischer Reisefluch“. Er wendet sich keineswegs gegen die Bewohner der grünen Insel, abstrahiert vielmehr einen populären Reisesegen der Iren gewitzt ins Gegenteil. Offensiv und bissig, als entschiedene Ansage an jene wenigen Menschen, denen man keinen Segen wünscht. Das nachdenkliche, fast etwas Requiem-ähnliche „And This Will Be“ greift einen Gedanken Leonard Bernsteins auf, den er nach der Ermordung J. F. Kennedys formuliert hat: „This will be our reply to violence: to make music more intensely, more beautifully, more devotedly than ever before”. Dem möchte sich das Quartett anschließen, ohne die Idee plakativ vor sich her zu tragen. „Wir sind politisch denkende Menschen, aber die Platte ist kein Manifest.“

Eingespielt wurde „Miniatures“ wieder im Kölner „Loft“, dessen Raum intime Atmosphäre garantiert. Am ersten Abend ließ das sensible Quartett ein öffentliches Konzert mitschneiden, aus dem „Gravity“ direkt auf die Platte wanderte; die übrigen Stücke des Albums wurden am folgenden Tag nacheinander aufgenommen, zwar ohne Publikum, aber live gespielt. Es ist zu spüren, dass die Band perfekter denn je aufeinander ein- und abgestimmt agiert.

Im Frühjahr 2018 wurde Eva Klesse als Professorin für Jazzschlagzeug an die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover berufen, 2017 wurde die Bandleaderin mit dem Westfalen-Jazz-Preis ausgezeichnet. Die Jury schrieb dazu, „Klesse beeindruckt mit einem dynamischen Spiel, beherrscht feinste Nuancen und zarteste Töne. […] Sie ist kreative Gestalterin mit identifizierbarer Handschrift und kongeniale Partnerin zugleich."

Der charakteristische Sound des Eva Klesse Quartetts wirkt auf „miniatures“ detailschärfer und transparenter denn je. Viele kammermusikalische Feinheiten, klare oder klug verästelte Kompositionen und ausbalancierte Improvisationen lassen rund 50 Minuten schnell vergehen. Konzeptionelle Gedanken und die daraus resultierende Fokussierung zeigen eine überzeugende künstlerische Entwicklung. Die Ausdruckstiefe der Band führt zu einer musikalischen Erzählkunst, die im internationalen Umfeld souverän bestehen kann. Mit solchen Musikerpersönlichkeiten kann der Jazz zukünftig nicht nur langjährige Anhänger des Genres glücklich machen, sondern auch neue Liebhaber finden.

 

 

Evgeny Ring: Alt-Saxophon  Philip Frischkorn: Klavier  Stefan Schönegg: Kontrabass  Eva Klesse: Schlagzeug