Kari Ikonen Trio – Wind, Frost & Radiation

Kari Ikonen Trio – Wind, Frost & Radiation

Ozella OZ087CD / EAN 4038952000874 / Vertrieb: Galileo MC / LC No. 10268

 

Veröffentlichung: 27. April 2018

 

 

Meditationen über Geisterstädte und schattenhafte Walzerthemen belegen: Die Tradition des radikalen Bruchs gehört zum Jazzverständnis dieser Formation ganz natürlich mit dazu.

 

Kari Ikonen sieht gerne die Sonnenseite des Lebens. So beispielsweise mit seinem „ultra-positiven“ Afro-Pop-Jazz-Projekt Trio Toffa. Als gebürtigem Finnen stehen ihm allerdings auch der Winter und dunkle Gemütszustände nahe. So wurde „Wind Frost & Radiation“ zu einer musikalischen Spurensuche nach den eigenen Wurzeln, nach dem Nordischen in der Musik. Orte der Kälte und des Schreckens, der Unmenschlichkeit und Vergänglichkeit – sie alle bilden das Fundament für das dritte Studio-Album des Kari Ikonen Trios.

 

Dass es nach dem betörenden Late-Night-Jazz von „Beauteous Tales and Offbeat Stories“ nun erneut eine Kehrtwende gibt, kann kaum überraschen. Gehört doch das Experiment geradezu zu den Erkennungsmerkmalen des Trios. So lässt Olli Rantala seinen Bass in einem Augenblick federnd tanzen, nur um ihn im nächsten wie ein Cello klingen zu lassen. Markku Ounaskari beherrscht neben einem unwiderstehlichen Swing auch die Kunst, Schlagzeug an der Grenze zur Auflösung zu spielen. Ikonen selbst hat mit dem exzentrischen Projekt „Ikonostasis“ frische Inspiration getankt. Dass mit dieser Konstellation kein konventionelles Trio-Album entstehen konnte, versteht sich da fast von selbst.

 

Wie weit die Band auf „Wind Frost & Radiation“ zu gehen bereit ist, belegt neben „Pripyat“ - einer Meditation über die geräumte Geisterstadt nahe des Tschernobyl-Reaktors – eine eigensinnige Interpretation von Aram Chatschaturjan's berühmtem Walzer-Thema. Letzteres verwandelt sich bei Ikonen von einem wirbelndem Tanz in eine nächtliche Schattenwelt. Der Puls sinkt auf ein gletscherhaftes Schmelzen ab, die Musik bohrt sich tief in den Augenblick, auf der Suche nach dem Nerv, der am meisten schmerzt.

 

Vertraut ist hingegen die für eine Vinyl-LP typische Aufteilung in eine musikalisch klar abgegrenzte A- und B-Seite, mit der sich das Kari Ikonen Trio zu der klassischen Vinyl-Ära bekennt. Das ist indes kein Widerspruch, sondern nur konsequent. Denn die Tradition des radikalen Bruchs gehört zum Jazzverständnis dieser Formation ganz natürlich mit dazu.