Klaus Schulze & Lisa Gerrard - Big In Europe Vol.1 (2DVD/CD)


KLAUS SCHULZE & LISA GERRARD - Big in Europe Vol. 1 - Warsaw
MIG / MIG 01050 2DVD+CD / EAN  885513010506 / Vertrieb: SONY     
Veröffentlichung: 29. November 2013

Presseinfo als PDF

Video Teaser

 Tracklisting:

DVD 1
1. Warsaw, Set 1
2. Warsaw, Set 2
3. „Behind The Stage“
Total: approx. 65 Min.

DVD 2
1. A Moogumentary
2. Encores
Total: approx. 54 Min.

CD
1. Voices Of Wielun 07:46
2. Kampania Wrzesniowa 06:07
3. Selbsterkennende
Ganzwerdung 27:15
4. A La Recherche Du
Printemps Perdu 06:58
5. The Da Varsaw Code 10:28
Total: 58:36

 


PC: 165
Format: 2DVD+CD Digi

Video Format: DVD5 / NTSC
Picture Format: 16:9
Audio: Stereo
Running Time: DVD1: 65 Min
 DVD2: 54 Min.
Region: 0 (code free)
FSK: 0 
 

Eigentlich ist ein Mensch wie Klaus Schulze ein Ding der Unmöglichkeit. Völlig uneitel, stets freundlich, mit fast schon kindlicher Neugier selbst noch als 66-Jähriger ausgestattet – und fleißig ist er auch noch. Alles keine Tugenden, denen Popstars weltweit mit Inbrunst frönen, doch Popstar ist Schulze im Grunde schon, auch wenn das nicht jeder weiß und Schulze selbst davon nichts wissen will.

Wer sich allerdings auf die Suche macht nach den Spuren, welche der Berliner hinterlassen hat in der Popgeschichte seit 1970, der wird überall fündig. Bevor hier nun aber die gewundenen Pfade Schulzes über Stationen wie Psy Free, Tangerine Dream, Ash Ra Tempel und sein riesenhaftes Solowerk nochmals beschritten werden, halten wir lieber ein Schild mit dem Satz „Neues von Klaus Schulze“ in die Höhe. 2008 nämlich hat der Mann getan, was er nur sehr, sehr selten tut und einer menschlichen Stimme den Zugang zu seinen elektronischen Klanglandschaften erlaubt.

In den Folgejahren gab es mehrere Konzerte von ihm mit der Sängerin von ’Dead Can Dance’, mit Lisa Gerrard, und jetzt erscheint das erste von drei Packages der Serie „Big In Europe“, ein Set aus einer CD und zwei DVDs, die nicht nur den Auftritt des scheinbar so ungleichen Paares bei der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges in Warschau dokumentieren, sondern auch höchst spannende Einblicke in die Arbeitsweise des Musikers erlauben. Dieses wie auch die folgenden Sets sind ein Rückblick auf die Tournee von Schulze und Gerrard im Jahr 2009, deren weitere Stationen Amsterdam, Brüssel, Paris und Essen waren.

Was schon im ersten Teil zu sehen ist, wäre mit dem Wort „unglaublich“ weit untertrieben betitelt. Nur Schulze selbst spricht hierbei von Normalität, „es stimmt, wir haben noch nie zusammen geprobt.“ Wenn also Lisa Gerrard vor seinen gern mal halbstündigen, am Sequencer generierten, unendlich vielfältigen Klang-Modulationen und ständig wechselnden Rhythmen Melodien von sakraler Schönheit intoniert und beides wie in jahrelanger Arbeit zum Oeuvre aus einem Guss geworden klingt – dann sollen wir an Improvisation glauben? Genau so aber ist es, „als Lisa 2008 nach dem Tour-Finale von Dead Can Dance bei mir im Studio vorbei kam“, lächelt Schulze, „wollte sie nicht einmal meine neuen Stücke hören, bevor sie dazu sang. Und so ist dann ’Farscape’“, das erste gemeinsame Werk und gleich ein Doppelalbum, „als First Take entstanden. Das war dann immer so, auch live, da gucken wir uns nur gegenseitig an und sind selbst erstaunt. Ich wechsle die Harmonien und sie ist immer total dabei. So eine perfekte Symbiose, die vollkommen auf Improvisation basiert, habe ich, ehrlich gesagt, noch nie erlebt“. Wir auch nicht.

Dabei sieht zunächst alles so aus, als träfen bei den gemeinsamen Abenden der Australierin und des Deutschen zwei Spezies aufeinander. Schulze etwas scheu, in mittelmäßig sitzendem Sakko und leicht ausgebeulten Hosen fast der Gegenentwurf zu Glanz & Glamour, Lisa Gerrard hingegen im langen Opernkleid und auf High Heels. Doch dann wächst dort oben etwas heran und bald schon zusammen, was immer nur ein Mal zu erleben ist. Klaus sitzt wie ein Laborant hinter seiner Elektronik und wirft beinahe liebevolle Blicke auf das ihm so lieb gewordene und vertraute Meer aus Tasten und Knöpfen, die er fast zärtlich bedient. Und wenn Lisa dann beginnt zu singen, sich dabei nicht einmal einer Sprache mehr versichern muss, lässt Klaus seine Soundscapes einen Schritt zurück treten und rahmt mit ihnen die Wucht dieser irgendwie aus der Schattenwelt für kurze Zeit ins Licht getretenen Stimme ein. Seine Musik, sagt er, habe dann „mehr einen begleitenden Charakter, sie ist weniger laut, weil die Sängerin ja Platz braucht. Ich spiele, wenn Lisa singt, natürlich auch keine Soli“. Aber sie singe ja keine wirklichen Texte, „insofern ist ihre Stimme fast so etwas wie ein weiteres Instrument. Und dann singt sie eben die Soli, die ich sonst spielen würde, nur dass sie es natürlich viel schöner macht“. Säße Lisa jetzt neben ihm, sie gäbe ihm vermutlich einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

Warum diese einzigartige Symbiose wohl so gut funktioniert? „Weil wir beide“, sagt Klaus, „nicht über Musik sprechen, wir machen lieber Musik. Wir reden viel und über tausend Dinge, aber nicht über Musik oder darüber, was wir auf der Bühne machen wollen“. Auf der Loreley sei ihr gemeinsamer Auftritt ja anfangs gar nicht geplant gewesen, „aber als Lisa hörte, dass ich dort spiele, rief sie sofort an. Sie wollte unbedingt dabei sein, auch ohne Gage, und ist dafür extra noch mal aus Australien hierher gekommen. Sie hat mein Wohnmobil als Garderobe benutzt, war völlig unkompliziert“.

An solchen Momenten darf der Betrachter und Hörer von „Big In Europe Vol. 1“ nun teilhaben, nebenbei wird er zum Augenzeugen der nicht eben kleinen Maschinerie, die hinter diesen Konzerten zu funktionieren hat und bemerkt dennoch, dass es sogar dabei vornehmlich um Menschen und die Musik ging. Und manchmal um noch mehr. Die Gedenkfeier in Warschau, zu der Klaus Schulze eingeladen worden war, trägt auch leicht makabre Züge. In Polen nämlich datiert man nicht den Überfall der Nazis am 1. September 1939, sondern jenen der Russen am 17. desselben Monats als den Beginn des Krieges. „Das war für mich als Deutschen schon ein seltsames Gefühl“, erinnert sich Schulze, „aber ich war auch sehr stolz darauf, überhaupt eingeladen zu werden“. Bereits in den Achtzigern, als Lech Walesas „Solidarność“ noch verboten war, hatte Schulze in Danzig für die Gewerkschaft gespielt und erhielt nun folgerichtig nicht nur die Einladung zum Jahrestag des sowjetischen Überfalls, sondern auch gleich noch die Ehrenbürgerwürde Polens. Unnötig zu erwähnen,dass er sich in der ihm eigenen Art bescheiden und gerührt bedankte.

Enden wir also passender Weise mit ein bisschen Wehmut. Diese Konzerte und die Japan-Tournee von 2010 markieren das Finale der Live-Karriere von Klaus Schulze. Seine bis heute nicht therapierbare Bühnenangst und sein „nicht mehr ganz jugendliches Alter“ haben ihn diese Entscheidung treffen lassen. Insofern dürften diese Aufnahmen Klaus Schulzes durchaus Marken setzen in der Musikgeschichte. Wieder einmal. Und hoffentlich nicht zum letzten Mal.