Lisbeth Quartett - There Is Only Make

Lisbeth Quartett - There Is Only Make

 Traumton 145722 / EAN 7053004465226 / Vertrieb: Indigo

 


Veröffentlichung: 27. Oktober 2017

 

Charlotte Greve: alto-saxophone, composer

Manuel Schmiedel: piano

Marc Muellbauer: bass

Moritz Baumgärtner: drums

 

31.10.2017   DE-Köln, Loft

03.11.2017   FR-Paris, Jazzycolours Festival

09.11.2017   DE-Berlin, Pianosalon Christophori

11.11.2017   DE-Kiel, Kulturforum

 

06.02.2018   DE-Mannheim, Klappsmühl

09.02.2018   DE-Reutte,

10.02.2018   DE-Neuburg an der Donau, Birdland : w/ BR Mitschnitt

11.02.2018   DE-Tosterglope, Kunstraum

14.02.2018   DE-Hymburg, Golem- Fat Jazz Urban Exchange

15.02.2018   DE-Berlin, Orania

16.02.2018   DE-Darmstadt, Jazzinstitut

 

Zeit ist relativ, das wissen nicht nur Philosophen und Quantenphysiker. Auch das Lisbeth Quartett hat von je her einen eigenen Zeitbegriff. Erkennbar an der inneren Ruhe, mit der die Band ihre transparente bis dichte Musik im Studio und auf der Bühne entwickelt. Und an Charlotte Greves hintergründigen, teils lyrischen, im besten Sinne zeitlosen Kompositionen, die Tiefgang und unaufdringliche Leichtigkeit vereinen. Letztere resultiert vor allem aus Greves sensiblem und souveränem Spiel sowie ihrem leuchtenden, schwebenden Saxophonton. Mit geduldiger Zielstrebigkeit ist das Lisbeth Quartett weit gekommen. 2009 gegründet, seit 2012 paritätisch auf Berlin und New York verteilt, wurde es für seine zweite CD Constant Travellers mit einem Jazz-Echo als Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Der Nachfolger Framed Frequencies (01/2014) erhielt ebenfalls viel Lob, auch international. „Charlotte Greve gilt als die neue Saxofonhoffnung der Republik“, war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, und im Fono Forum stand: „Mit großer Seelenruhe und einer nie zur Schau gestellten Virtuosität begeben sich hier vier Musiker auf eine viel versprechende Expedition.“

 

Trotz ihrer Aufenthaltsorte dies- und jenseits des Atlantiks treffen sich die überwiegend immer noch recht jungen Lisbeths regelmäßig zu Tourneen. Ihr intuitives und intensives Einverständnis ist auf der eindrücklichen CD Lisbeth Live eingefangen, die Ende 2015 erschien. Gut ein Jahr später formulierte Charlotte Greve im Interview mit der FAZ einen Rück- und Ausblick: „Nachdem wir uns auf der Live-Platte in Improvisationen ziemlich aus dem Fenster gelehnt haben, denken wir für das neue Album an etwas klarere Formen und Melodien.“ Letztlich ist There Is Only Make dann aber doch sehr offen und weitläufig geworden. Greves kompositorische Erzählkunst und die Spielfreude der aufmerksamen, fokussierten Band kreieren Spannungsbögen, die locker über acht Minuten tragen. „Viele Stücke bestehen aus mehreren Teilen“, erklärt Greve, „und dann brauchen wir natürlich auch noch Platz zum Improvisieren.“ Die Bandleaderin hat klare Vorstellungen, notiert zuweilen auch Details akribisch aus, freut sich andererseits über den facettenreichen Gestaltungswillen ihrer Partner. Marc Muellbauers „singende“ Basslinien sind viel mehr als nur Grundierung, Manuel Schmiedels getupfte oder akzentuierte Klaviervignetten kreieren phantasievolle Panoramen, Moritz Baumgärtners unkonventionell-klangvolles Schlagzeugspiel befeuert rhythmische Finessen. Zusammen mit Greves warm timbrierten und gleichzeitig kristallinen Modulationen ergibt sich der pointierte Lisbeth-Sound.

 

Der Aufmacher des Albums 5.3 zieht mit seiner Kombination aus rhythmischen 5er- und 3er-Gruppen und fließendem Gestus den Hörer sanft, aber unausweichlich in den Lisbeth-Kosmos. Das markante, sprunghafte Daily Task (Track 8) lässt dank seines Tempos an den Ort seines Entstehens, eben New York, denken. Tatsächlich basiert es auf einem Zitat von Patti Smith und ist zudem durch den Besuch eines Tim Berne-Konzerts inspiriert. Drive entwickelt auch das variable Echo & Skill (Track 5), dessen scheinbar seltsamen Titel Charlotte Greve so erklärt: „Es geht um Wiederholungen. Bei Echos kommt zurück, was man in die Berge ruft. Und Skills entwickeln ihre verlässliche Qualität ebenfalls aus Wiederholungen.“ Shirley beginnt als nachdenkliche Ballade und endet mit Verve und Energie, Piece hingegen bleibt auf elegante Art zurückhaltend. Es entstand auf eine für Greve eher ungewöhnliche Weise. „Ich saß am Klavier und innerhalb kurzer Zeit flossen die Ideen so klar und deutlich, dass ich das Stück ziemlich schnell fertigstellen konnte. An vielen anderen Kompositionen schreibe ich über Wochen, manche sind sperrig und wollen einfach nicht so richtig. Da sind Eingebungen wie Piece eine seltene und sehr willkommene Abwechslung.“

 

Wie schon bei früheren Produktionen hat Greve für There Is Only Make einen Gast eingeladen. Das mäandernde Original Source für zwei Alt-Saxophone, dessen zirkulierende Motive und unpathetisch-hymnische Aura fast an eine Meditation erinnern, schrieb Greve anlässlich ihres gemeinsamen Auftritts mit Antonin Tri-Hoang im Rahmen des Jazzdor-Festivals 2015 in Berlin. Statt des Franzosen übernimmt nun Christian Weidner die tieferen Register, sein rauchiger Ton kontrastiert mit Greves strahlendem Klang. „Er kam ins Studio und sein erster Take landete auf dem Album“, sagt Greve mit einer Mischung aus Bewunderung und Begeisterung. 

 

Der Name des Albums hat, wie manche Songtitel, mit Charlotte Greves Leben in New York zu tun. Es handelt sich um eine der „10 rules for students and teachers“, die  größtenteils von Corita Kent verfasst und von John Cage ergänzt und verbreitet wurden. Regel Nummer 6 besagt, „Nothing is a mistake. There is no win and no fail. There is only make.“ Für Greve eine Motivation, die ihrem Naturell und dem Geist der Band entspricht. „Als wir 2009 unser erstes Demo aufnahmen, hatten wir gar nicht an eine Veröffentlichung gedacht, aber dann wurde daraus unser Debüt Grow. Inzwischen wohnen wir zwar nicht mehr alle in Berlin, bringen aber trotzdem unser fünftes Album raus“, fasst sie zufrieden den Stand der Dinge und die achtjährige, kontinuierliche Geschichte des Lisbeth Quartetts zusammen.

 

Charlotte Greve empfindet There Is Only Make als konsequente Weiterentwicklung. „Das neue Album ist mehr aus dem Bandprozess heraus entstanden als unsere früheren Produktionen. Bevor wir ins Studio gingen, trugen wir die Stücke länger mit uns herum und haben sie in vielen Konzerten gemeinsam ausformuliert.“ Während der Aufnahmen im Traumton-Studio gelang es, die Lebendigkeit der Konzerte zu bewahren und gleichzeitig Abstufungen herauszuarbeiten. Greve vergleicht den Prozess mit einem Maler, der nach und nach Details und Tiefe seines Bildes entwickelt. Das Ergebnis sind vielschichtige Stücke, die zwischen ruhigen Passagen und kräftigen Steigerungen oszillieren. Melodische Bögen und klare Formen, subtiles Zusammenspiel und moderne Haltung geben dem Lisbeth Quartett einen noch eigenständigeren Charakter und ein internationales Profil.