BÖRT – HANA

Eine äußerst vielversprechende Nachwuchsband: Die Kompositionen von BÖRT verströmen Vitalität, Dynamik und Qualität

„Mir gefiel einfach die Idee, meiner Band eine Art Eigennamen zu geben. Als ob sie ein lebendiges Wesen wäre, das uns Geschichten erzählt“, erinnert sich der Kölner Kontrabassist Lukas Keller. „Gleichzeitig lassen Klang und Gestalt des Namens Raum, die Fantasie spielen zu lassen.“

Keller und seine MitmusikerInnen Theresia Philipp (Saxofon und Klarinette), Jonathan Hofmeister (Klavier) und Jan Philipp (Schlagzeug) gehen ihre Musik „mit kindlicher Neugier“ an, „stets auf der Suche nach dem Unerwarteten. Vier Stimmen im Spannungsfeld zwischen Individualismus und Gemeinschaft, Aktion und Reaktion, zwischen blindem Vertrauen und gegenseitiger Schonungslosigkeit“, so erklärt der Bandleader die musikalische Philosophie von BÖRT.

 

HANA – (sowohl Album- als auch Songtitel) bedeutet auf japanisch „Blume“ oder „Blüte“. „Ich habe eine besondere Beziehung zu Japan“, verrät Keller. „Meine Freundin ist japanisch-stämmig. Durch sie und ihre Familie komme ich viel in Kontakt mit der Kultur und Tradition des Landes und hatte auch schon die Gelegenheit, es zu bereisen. In dem Stück betonen wir die zarte und zugleich farbenfrohe Bedeutung dieses Wortes. Das Thema von HANA ist eingängig und dennoch rhythmisch komplex, da Melodie und Begleitung in unterschiedlichen metrischen Ebenen funktionieren.“

 

Skate ist eine Hommage an das Skateboardfahren. Ein Sport, der für Musiker eher ungeeignet ist, gibt Keller zu: „Das Verletzungsrisiko ist zu hoch. Trotzdem fasziniert es mich seit meiner Kindheit. Ich bin aber in einem kleinen Ort in der Nähe von Aschaffenburg in Bayern aufgewachsen, in dem es leider keinen Skatepark gab. Eine große Karriere war mir daher nie vorherbestimmt.“ Jetzt – viele Jahre später – gleitet und schlängelt stattdessen seine Musik elegant dahin.

 

Cohen Brothers – aus der Feder des Pianisten Jonathan Hofmeister – ist vom israelischen Trompeter Avishai Cohen inspiriert. Zu Beginn wird der Hörer von einer elegischen, zweistimmigen Melodie in Fantasiewelten entführt. Der klare Sound von gestrichenem Bass und gehauchten Saxophontönen lässt unweigerlich Silhouetten vor dem inneren Auge auftauchen und wieder verblassen. „Ein Stück, das uns viel Raum zum Improvisieren lässt“, so Keller.

 

Typ ist der verkürzte Songtitel von „Ich bin nicht ganz mein Typ“. In diesem Stück dreht es sich um innere Konflikte. „Auch musikalisch beginnt es zweifelnd, steigert sich dann aber zu einer ausdrucksvollen Melodie und einer kraftvollen Improvisation.“

Nach Norden ist ein temperamentvolles Stück, welches stellenweise Anklänge an die Musik des Saxophonisten Wayne Shorter aufweist. „Wir spielen es gerne live. Das war eine meiner ersten Kompositionen für das Quartett“, erinnert sich Keller und ergänzt: „In dem Stück wollte ich die Stärken der einzelnen Bandmitglieder betonen. Zum Beispiel Theresias eindrucksvoll kraftvolles Spiel.“

 

West Highland Line entstand nach einer Schottlandreise. „In den schottischen Highlands kommt man an Orte, an denen außer der Natur nichts an dein Ohr gerät. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Kein Auto, nur der Wind. Beeinflusst hat mich hier die Musik von Ornette Coleman und Eric Dolphy – ganz in ihrer Tradition nehmen wir uns auch hier allen Raum zum Improvisieren.“ Dass Theresia Philipp neben dem Saxofon auch die Klarinette meisterhaft beherrscht, wird in den Stücken Blau und China schnell offenkundig.

 

Sweet Sewing Machine bringt uns das Nähen als Form der Meditation näher. BÖRT hat den Mut, das Album mit einer Ballade abzurunden. Keine Spur von aufgesetzter „Hipness“, stattdessen ein warmer, erdiger Sound, ein geschmackvolles Thema und starke Soli.

Obwohl er ein Vollblut-Bassist ist, sieht Keller die Band nicht als Vehikel, um sein Instrument ins Rampenlicht zu stellen. Dafür ist er viel zu sehr Teamplayer. „In dem Ensemble sollen sich vier MusikerInnen gleichberechtigt und auf Augenhöhe treffen. Es ergibt für mich keinen Sinn, hier zu solistisch zu agieren – gleichwohl ist natürlich die Improvisation an sich ein zentrales Element dieser Band.“ Bis das Publikum das erste Bass-Solo auf HANA zu hören bekommt, vergeht dementsprechend eine ganze Zeit.

Der Wahl-Kölner bezeichnet es als „großes Glück“, mit derart hochkarätigen, jungen MusikerInnen zusammen spielen zu dürfen. „Jan agiert am Schlagzeug eher dezent und nuanciert, nutzt aber ein weites dynamisches Spektrum. Damit hat er seine ganz eigene Sprache entwickelt. Er hat auch klare musikalische Vorstellungen und hört intensiv zu – Qualitäten, die ich sehr schätze.“ Pianist Jonathan Hofmeister kennt er schon viele Jahre. „Als Studienkollegen haben wir häufig zusammen geübt und gejammt. Jonathan spielt enorm ausdrucksvoll – und er hat ein großartiges Gespür für Farben und Stimmungen“. An Theresia Philipp beeindruckt Keller vor allem, dass sie es wie kaum eine andere schaffe, ihre Persönlichkeit auf ihren Instrumenten auszudrücken. „Sie erzählt regelrechte Geschichten. Wenn sie spielt, packt sie mich auf allen Ebenen. Ich bin wirklich stolz, sie in der Band zu haben.“

Die Kompositionen von BÖRT verströmen Vitalität, Dynamik und Qualität. Oder – wie es Bandleader Keller definiert: „Mit einem Fuß in der Jazztradition verwurzelt, mit dem anderen auf einem ganz eigenen Weg, lassen wir unsere musikalischen Visionen zu einem Gesamtbild verschmelzen und treten jedes Mal aufs Neue eine Reise ins Ungewisse an.“

Eine äußerst vielversprechende Nachwuchsband, die sich schon jetzt in prächtiger Blüte und damit absolut passend zum Albumtitel HANA präsentiert.

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Berthold Rec/4250647321044/LC 27984/Vertrieb: Cargo

VÖ: 28.05.2021

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