Eyal Lovett – Beyond Good And Evil

Nordamerikanischer Jazz, Klassik, sowie Klänge aus der Mittelmeerregion und Nordafrika – das alles vermischt Eyal Lovett auf seinem neuen Album Beyond Good and Evil. Der israelische Pianist und Komponist hat an der New School for Jazz and Contemporary Music in New York studiert, lebt aber inzwischen in Berlin. In seinem Quartett stehen ihm Aidan Lowe (Schlagzeug), Eran Har Even (Gitarre) und Gianfranco Coppola (Kontrabass) zur Seite.

Die Band hat das Album im Leipziger Club Horns Erben eingespielt – im Rahmen von öffentlichen Konzerten und während Live-Sessions ohne Publikum. Die akustischen Eigenschaften des Clubs sind hervorragend – vor allem dank der holzvertäfelten Innenverkleidung, die noch heute den Charme der 1920er Jahre versprüht. „Auch wenn es hier und da eine Herausforderung war, bin ich mit dem Klangergebnis rundum glücklich“, bilanziert Lovett und erklärt: „In einem Studio aufzunehmen, ist natürlich großartig, weil es einem viele Möglichkeiten bietet. Live bedeutet dagegen im wahrsten Sinne des Wortes „live“. Man hat nur einen Versuch und kann hinterher nur noch wenig Einfluss nehmen. Aber unser Toningenieur Julius Kraft hat einen großartigen Job gemacht.“

Der Titel Beyond Good and Evil bezieht sich auf ein Zitat von Friedrich Nietzsche, das musikalisch jedoch nichts mit dem Album zu tun hat. „Ich war auf einem Spaziergang mit meinen Kindern. Einer dieser seltenen Momente, in denen Kopf und Geist völlig frei werden und der daraus resultierende Energieschub neue Ideen hervorruft. Das ist es, was „Beyond Good and Evil“ für mich bedeutet“, so Lovett. „Ich hatte plötzlich eine Melodie im Kopf, die ich aufschrieb, als ich wieder zuhause war. Ich versuche auf dem Album verborgene Gefühle aufzudecken, sie hörbar zu machen. Gefühle, die uns im Leben eigentlich ständig begleiten, aber nur selten wahrgenommen werden.“

Für den Pianisten ist klassische Musik ein probates Mittel, um Geschichten zu erzählen. „Im Jazz finden sich oft großartige Soli, tolle Stimmungen und viel Energie, aber nur selten Erzählstrukturen, die sich über einen längeren Zeitraum entwickeln. In der klassischen Musik dagegen ist alles mit allem verbunden. Eine Vorstellung, die ich auch in meinen Kompositionen und Improvisationen umzusetzen versuche. In meinen Stücken steckt zwar auch das Rhythmische und Kantige aus dem Jazz, noch wichtiger jedoch sind eingängige Melodien. Erst wenn beides miteinander verbunden ist, steigt in mir das Gefühl auf, dass es rundum stimmig ist.“

Could it Be basiert auf einem bekannten israelischen Song. „Den Originaltext hat Leah Goldberg während des Zweiten Weltkriegs geschrieben“, erklärt Lovett. „Eine Zeit, in der viele patriotisch gefärbte Stücke entstanden sind, die davon handeln, den Krieg zu gewinnen. Sie dagegen erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die durch die Felder geht und den Wind in ihren Haaren spürt. Ein Ausdruck von Unschuld in einer Zeit von Blut, Feuer und Krieg. Das geht einem sehr nahe.“

Udi`s Ode hat Lovett einem guten Freund und Mentor gewidmet – dem Bassisten Udi Kazimirski. „Er war deutlich älter als ich und für mich so etwas wie eine Vaterfigur“, erinnert sich der Pianist. „Er war auch der Erste, mit dem ich professionell Musik gemacht habe. Eine großartige Person mit einem großen Herzen und einer ebensolchen Seele. Er konnte sich richtig aufregen. Zum Beispiel, wenn er sich mit Leuten aus dem Publikum angelegt und sie mitten im Spiel förmlich angeschrien hat. Leider ist er vor sechs Jahren an Krebs gestorben, aber für mich ist das ein fröhlicher Song, in dem wir sein Leben und seine Musik würdigen.“

Falafel stammt aus der Feder des Gitarristen Eran Har Even und ist eine Premiere der besonderen Art. „Das ist das erste Mal, das ich einen Song aufgenommen habe, der nicht von mir oder einem fremden Komponisten stammt, sondern von einem Bandmitglied. Israelische Jazzmusiker verwenden den Begriff Falafel Jazz üblicherweise, um sich über den typischen Jazz des Landes lustig zu machen. Bei Eran hat es eher ironische Bedeutung und bezieht sich auf die sogenannte Falafel Jazz Bewegung, die Rhythmen aus der Mittelmeerregion verwendet  – allerdings auf eine sehr klischeehafte Art und Weise. Uns ist eine wunderschöne Mischung gelungen, die Elemente des nordamerikanischen und europäischen Jazz mit den komplexen Harmonien der mediterranen Region verbindet.“

Turmoil bezieht sich auf Lovetts familiäre Situation. „Die Welt verändert sich gerade – und das nicht unbedingt zum Guten. Die Fragen, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen und ob wir bald vielleicht sogar einen neuen Weltkrieg erleben, erfüllen mich mit Sorge. Das ist die Gefühlslage in diesem Stück“, führt der Vater dreier Kinder aus.

Eyal Lovett tourt regelmäßig durch Europa und Israel. Zu seinen bisherigen Stationen gehörten unter anderem das Aarhus International Jazz Festival, die Jazzmeile, XJazz, sowie die Jazz Festivals in Tübingen und Bern. Er war zudem Stipendiat des Kulturprogramms des Zentralrats der Juden in Deutschland. 2017 wählte ihn die Jazzy Berlin Community zum „Artist of the Year“. 2018 gewann er mit seinem Trio den 1. Preis beim Warschauer JazzWings Wettbewerb.

Seine künstlerische, emotionale Hingabe, sowie seine Virtuosität wird vom Publikum über alle Maßen geschätzt. Warum, beweist er eindrucksvoll auf seinem neuen Album Beyond Good and Evil.

Berthold Rec / 4250647319133 / Vertrieb: CARGO

 Veröffentlichung: 26. Juli 2019

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