Fuchsthone Orchestra – Structures & Beauty

Eine Hymne auf die Schönheit der Welt und die Freude am Dasein. Komplexe Arrangements mit pointiert eingesetzter Elektronik machen dieses Debüt musikalisch mitreißend und zutiefst berührend, thematisch drängend und herausfordernd.

Im November 2019 war es so weit: Nach intensiver Vorbereitung brachten die Musikerinnen, Komponistinnen und Arrangeurinnen Christina Fuchs und Caroline Thon ihr neues Groß-Ensemble auf die Bühne: das Fuchsthone Orchestra. An die furiose Premiere im Kölner Stadtgarten schlossen sich nicht weniger begeistert aufgenommene Konzerte in Wuppertal, Dortmund und Aachen an – Startschuss für ein einzigartiges, großorchestrales Projekt. Seitdem hat sich Fuchsthone ständig weiterentwickelt, sich immer wieder neu entdeckt und an den klanglichen Stellschrauben gedreht. Die regelmäßige Konzertreihe des Orchesters im Kölner Stadtgarten heißt dementsprechend „Reloaded“, kreative Standortbestimmungen, live vor Publikum.

Über die unverbrüchliche Schönheit der Welt

Nun zieht das Fuchsthone Orchestra nach gut drei Jahren intensiver Arbeit Zwischenbilanz, und das Resultat ist das vorliegende eindrucksvolle Debütalbum „Structures & Beauty“, ein Klangkunstwerk, das seinen Platz in der Jazzgeschichte finden wird. Aufgenommen im Juni 2022 im Sendesaal des DLF Köln, reichte das Material mühelos für eine klangmächtige Doppel-CD – kein Ton, keine Komposition, kein einziges Solo hätte es weniger sein dürfen.

Die Musik erzählt eindringlich klangdramatische Geschichten als großes Welttheater, mal wuchtig dynamisch, mal lyrisch subtil, stets reich an Finessen und Feinheiten. Souverän verknüpfen Christina Fuchs und Caroline Thon mit ihren komplexen Arrangements Jazz, Klassik, Rock und Avantgarde mit pointiert eingesetzter Elektronik – und bieten zugleich doch weit mehr: „Structures & Beauty“ ist nicht „nur“ ein Klangereignis, es ist ein gesellschaftspolitisches Statement. Nachdenklich, beunruhigt, ja besorgt reagieren Christina Fuchs und Caroline Thon auf aktuelle Katastrophenerfahrungen, gesellschaftliche Befindlichkeiten und Friktionen. In reichen Klangextremen erforschen sie die Sinnhaftigkeit der Welt, suchen und finden musikalische Ausdrucksformen für ihre Skepsis und Ratlosigkeit, Trauer und Wut. Und doch steht „Structures & Beauty“ für widerständige Kraft und unverbrüchliche Hoffnung: als Hymne auf die Schönheit der Welt und die Freude am Dasein.

Die Zusammenlegung zweier Personen und ihrer Lebensentwürfe

Mit Fuchsthone begann für die beiden gleichberechtigten Fuchsthone-Leiterinnen eine aufregend neue Phase der Selbsterforschung in Klängen, Stimmungen und Strukturen. Für ihr Großensemble fanden sie Gleichgesinnte und Verbündete, herausragende, vielfach ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker, die sowohl für hohe solistische Qualität als auch für den spezifischen, orchestralen Fuchsthone-Sound stehen. Die Nominierung des Fuchstone Orchestra für den Deutschen Jazzpreis 2021 in der Kategorie „Großes Ensemble des Jahres“ war inmitten der Pandemie ein ermutigendes Signal, den gemeinsamen Kreativprozess weiter zu verfolgen. Vor allem die erfahrene Computermusikerin, Tonmeisterin und Toningenieurin Eva Pöpplein wurde zur zentralen Protagonistin. Nicht zuletzt mit dem Einsatz der Elektronik als tragendem Element geht der Fuchsthone-Sound weit über die Begriffe Big Band und zeitgenössischen Jazz hinaus.

„Structures & Beauty“: ein dramatisches Gesamtkunstwerk

Was nun genau ist dieses Album? Die Antwort kann allenfalls eine Annäherung sein an ein höchst selbstbewusstes Werk, das sich irgendwo zwischen Clara Bleys „Escalator over the Hill“ und Maria Schneiders „Data Lords“ einordnen lässt. Als verbindliches Klangkunstwerk lädt es gleichwohl mit weit ausgebreiteten Armen dazu ein, Musik und Sujets eigenständig zu entdecken. Zwar fehlt dem Album eine „Handlung“ im dramaturgischen Sinn des Wortes, gleichwohl weist es mitunter Charakterzüge eines Musikdramas auf, das sowohl mit historischen Texten und Zitaten operiert als mit souverän von Filippa Gojo geprägten Gesangsnummern. In diesem Sinne begeistert „Structures & Beauty“ als anspruchsvoll-komplexe Programmmusik, die außermusikalische Themen kongenial mit der musikalischen Gestaltung in Einklang bringt. Strukturell stehen viele Stücke in der Tradition programmatischer Musik zwischen Nachromantik und Moderne, lassen sich als anschauliche Aufzeichnungen der beiden Komponistinnen „lesen“. So macht „Iceland“ von Christina Fuchs das knirschende, knackende und brechende Eis von Gletschern förmlich spürbar, während Filippa Gojo immer aufgewühlter aus Reden von Greta Thunberg zitiert, sie dekonstruiert und interpretiert, eindringlich, polemisch, radikal: „Some people say that we are too radical, but this is still an emergency!”

Caroline Thon wiederum folgt in ihrem nicht minder komplexen Werk „The Truth of J.P.S.?” auf ähnliche Weise einem roten Faden, wenn sie sich an Jean-Paul Sartre und ihre Lektüre von „Die geschlossene Gesellschaft“ erinnert: „Es beschäftigt mich doch sehr, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt, was diese Entwicklung mit uns macht. Wie können unsere Herzen offen bleiben statt der immer weiter fortschreitenden Polarisierung zu folgen?“ Mit aufregenden, mitunter heilsam verstörenden Brüchen, brillanten Improvisationen und Live Samplings umspielt sie die Frage: „Wollt Ihr wirklich, dass Sartres erschreckendes Bühnendrama, indem die Protagonisten sich das Leben gegenseitig zu Hölle machen, Realität wird? Das ist mein Appell.“ Auch Caroline Thon belässt es nicht bei insistierendem Fragen: In der Komposition „Khor Ba“ formuliert sie eine Gegenposition, indem sie auf die Worte des buddhistischen Meisters Dilgo Kyentse Rinpoche verweist: „Es ist unser Geist, der uns entweder fesselt oder befreit.“ Denn diese Haltung kann vom Kreislauf aus Geburt, Alter, Krankheit und Tod befreien. „Khor Ba“ (auf Sanskrit „Samsara“) will konkret aktuell verstanden werden als Auseinandersetzung mit der Gegenwart, bedingt durch die Pandemie.

In diesem Sinne erweist sich „Structures & Beauty“ tatsächlich in vielerlei Hinsicht als dramatisches Gesamtkunstwerk, hellsichtig in der Gegenwart verankert und zugleich der Entwurf eines visionär auf die Zukunft gerichteten Welttheaters. Musikalisch mitreißend und zutiefst berührend, thematisch drängend und herausfordernd.

www.fuchsthone.com

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VÖ: 28.4.2023

Live

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20.09,2023 München, Unterfahrt

21.9.2023 A-Dornbirn, Spielboden AU

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24.9.2023 Köln, Stadtgarten

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