Julia Kadel TrioPowerful Vulnerability

Julia Kadel: Piano, Vocals, Composition  I  Athina Kontou: Double Bass  I   Devin Gray: Drums

Das Julia Kadel Trio freut sich auf die Veröffentlichung seines nunmehr vierten Albums: Zusammen mit Athina Kontou und Devin Gray ergründet das neue Trio die charakteristische Musik von Julia Kadel mit einem erfrischenden, ehrlichen und inspirierenden Approach.

 

2019 schrieb Kadel zuletzt ein Stück zeitgenössische deutsche Jazzgeschichte. Nach zwei Album-Veröffentlichungen beim berühmten amerikanischen Label Blue Note unter dem Dach von Universal spielte Kadel das letzte Trio-Werk Kaskaden im historischen MPS-Studio in Villingen ein, wo in den sechziger und siebziger Jahren Prominenz wie Oscar Peterson und Friedrich Gulda aufgenommen haben. Kadel weckte das denkmalgeschützte Studio aus einem tiefen, jahrzehntelangen Schlaf. Die Produktion war die erste Veröffentlichung, die dort nach dem vorläufigen Ende des MPS-Labels 1982 stattfand. Entsprechend groß war die Medien-Resonanz und nicht lange nach der Veröffentlichung von Kaskaden wurde Julia Kadel mit dem Essener Jazz Pott 2020 für innovatives musikalisches Schaffen ausgezeichnet.

Nun erwartet das Julia Kadel Trio die Veröffentlichung seiner neuen Platte, die im kaum weniger legendenumrankten Hansa Studio in Berlin eingespielt wurde. Das Album präsentiert hochspannende, stilistisch eigenwillige und sehr persönliche Musik, virtuos performt von Julia Kadel und dem neuen Trio. Mehr denn je bewegen sich die Stücke im Spannungsfeld von unkonventionellen Kompositionen und pointierten Improvisationen, harmonischer Raffinesse und vielgestaltigen Klangfarben. Aus unterschiedlichen Inspirationsquellen, darunter auch der klassischen Moderne, resultiert eine lebendige musikalische Sprache von hoher Intensität.

Vor rund zwei Jahren entdeckte Kadel den Schlagzeuger Devin Gray als neuen Bandpartner. Er ist in New York als Bandleader und Sideman fest in der Jazz- und improvisierten Musik-Szene verankert und lebt zwischen den Musikmetropolen New York und Berlin. „Wir haben eine Session zusammen gespielt und ich war tief beeindruckt von seiner Sensibilität, beim Zuhören und in seinem Spiel“, erinnert sich Kadel, „er hat meine Stücke sofort verinnerlicht und verfügt zudem über eine große Vielfalt an Sounds.“ Erst im vergangenen Jahr kam Athina Kontou dazu, die unlängst ihr eigenes Debüt als Bandleaderin, Tzivaeri, vorgestellt hat und zudem in Luise Volkmanns Großformation Été Large spielt. Abgesehen von den spielerischen Qualitäten der Bassistin schätzt Kadel auch die besondere Ruhe, die sie in die Musik bringt. „Zudem treffen wir uns auf mehreren Ebenen, musikalisch, politisch, uns verbindet ein bestimmter gemeinsamer Spirit.“

Ein besonderer Geist durchzieht auch Julia Kadels Kompositionen, wie schon der Albumtitel ahnen lässt. Das Themenspektrum der aktuellen Stücke reicht von Stimmungen der Isolation in Zeiten einer Pandemie über Distanz im Allgemeinen und eine Trennung im Besonderen bis zur eigenen Fragilität. Starke Gefühle des Innenlebens, die ihren Weg nach außen suchten. In der Musik des Julia Kadel Trios werden Gegensätzlichkeiten wie Nähe und Distanz zugleich erlebt: vom Vermissen einer Liebe, das hin zu einer neuen Verbindung transformiert, bis zu einer temporären Wut, die sich frei spielt. Der rote Faden ist die Verletzlichkeit, die ‚Vulnerabilität‘, in der sich die Stücke verknüpft sehen, und die Gleichzeitigkeit von Schwäche und Stärke, was auch das Powerful im Albumtitel erklärt:

Verletzlichkeit ist ein Schlüssel zu mehr Stärke. Wenn ich mich verletzlich zeige, geht das mit Gefühlen der Unsicherheit, Angst, des Zweifelns, der Fragilität und Ungewissheit einher. Und doch liegt genau darin eine Kraft, ein gutes Potenzial wie eine Hoffnung hin zu mehr Stabilität und Verbundenheit zu sich selbst und somit auch zu anderen. Dadurch, dass ich mich verletzlich geben kann, können andere wichtige Dinge über mich erfahren und ich über sie. Das führt zu einer tieferen Verbundenheit und mehr Vertrauen an Stelle von Misstrauen inmitten einer Kultur des Beschämens im kapitalistisch geprägten Wettkampf. Ich wünsche mir noch mehr Räume, in denen sich Menschen verletzlich zeigen können. Wir könnten bessere Entscheidungen treffen, wenn wir verletzlich sein können und könnten gewaltfreier miteinander umgehen, dadurch dass wir nichts verbergen und herunterschlucken müssen und dadurch, dass wir uns im wahrsten Sinne besser verstehen können“, sagt Kadel. „Dabei spielt auch Empathie eine große Rolle.“

Somit präsentiert das Konzept-Album mit Titeln wie Empathy Piece oder Peaceful Shift eine weiter gefasste gesellschaftsrelevante Perspektive als die der reinen musikalischen Klangforschung und Ästhetik. Es formuliert einen Ansatz für einen tieferen, ehrlicheren Austausch miteinander. „Die Wissenschaft stützt die Utopie, dass Menschen eigentlich nach einer tieferen Verbundenheit streben, um glücklich zu sein“, führt Kadel aus, während aktuell der Abschluss des eigenen Psychologiestudiums angestrebt wird. „Dieses Gefühl von Verbundenheit könnten wir unter anderem durch das Teilen von mehr Verletzlichkeit erreichen.“

Musikalisch erscheint Powerful Vulnerability als starkes Bekenntnis zu den für Julia Kadel typischen Kompositionen und deren mitreißender Intensität. Wiederkehrende Leuchtfeuer in Kadels Gestaltungswillen sind anschwellende Dynamik, fließende Linien und harmonische Finessen jenseits von Dur und Moll. Einige Stücke entwickeln ‚multi-harmonics’, so dass verschiedene Harmonien übereinander liegend erklingen. Am Flügel brilliert Kadel mit fein nuancierter bis kraftvoll ausgreifender Virtuosität und lässt gängige Jazz-Idiome hinter sich. Gleichermaßen unkonventionell und wendig agiert Gray am Schlagzeug. Athina Kontous erdiges und akzentuiertes Spiel öffnet den Raum, in dem sich die Musik entfalten kann. Sie verdichtet Stimmungen durch gestrichene Passagen, verleiht dem Gesamtklang seine Bedeutung.

Die Konzentration auf mal leise, mal energiegeladene, stets sehr gezielt eingesetzte Ausdrucksmittel kreiert intensive Atmosphären und suggeriert bisweilen flackernde Stimmungen. Devin Grays Ideenreichtum für Klänge und Akzente abseits gewöhnlicher Grooves kommt hier besonders markant zur Geltung.

Es gibt noch eine prägnante Neuerung, zu hören bei Distant Liebe und Distant Liebe – Coda, nämlich Kadels Stimme in erzählendem und zurückhaltend singendem Gestus. „Während der Pandemie hatte ich viele Texte geschrieben und bei der Zusammenstellung des Albums gemerkt, dass ich etwas davon einfließen lassen möchte“, erklärt Kadel. Eine gedankliche Brücke zum Vorgänger-Album Kaskaden, genauer gesagt zu dessen Ausklang Epilog, schlägt Epilog No. 2. Der Einsatz von Klangschalen knüpft an die seinerzeit genutzten Gongs an. „Das Stück kreiert eine Befriedung“, erklärt Julia Kadel, „es vermittelt Ruhe inmitten des lauten Chaos in der Stadt. Zur Illustration habe ich Feldaufnahmen am Kottbusser Damm in Berlin-Neukölln gemacht, wobei die Geräusche jetzt romantischer klingen als es auf der Straße wirklich war.“ Nach einer längeren Pause folgt dann noch ein versteckter Track namens Outbreak, den manche*r Hörer*in vielleicht sogar als heimlichen Höhepunkt des Albums betrachten wird. Allein schon wegen seiner kontinuierlichen, in seinen Bann schlagenden Steigerung. Outbreak erscheint als eine Art Katharsis, als klanggewordene Befreiung aus imaginären oder realen Bedrängnissen. „Die allererste Inspiration dazu war eine Kanalreiniger-Maschine, die mich eines Morgens aus dem Bett gerissen hat“, lacht Kadel, „sie entwickelte eindrucksvolle Obertöne, die ich auf’s Klavier übertragen habe.“

Das komplette Album wurde innerhalb von nur zwei intensiven Tagen eingespielt. „Wir sind in die Musik eingestiegen und haben losgelassen, sind mit dem Flow gegangen. Mehr als ich vorher erwartet hatte, fühlte es sich an wie ‚Dampf ablassen‘“, freut sich Julia Kadel. Entsprechend spontan und direkt, energetisch und kraftvoll wirkt das Ergebnis. In die Hansa Studios brachte Kadel eine lange zurückliegende Erinnerung mit. „In meiner Jugend war ich mal dort zum Vorspielen für eine Pop-Produktion, insofern empfand ich unsere jetzigen Aufnahmen dort als another dream came true.”

https://juliakadel.com/

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MPS 0218475MS1/Edel / 4029759184751 /  Vertrieb: Edel

 VÖ: 26. Mai 2023

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