Lukas De Rungs – Kosmos Suite

Elemente aus Jazz, klassischer Chormusik und englischer Lyrik und die Frage wo eigentlich die Sterne sind. Sehen wir sie noch?

KOSMOS SUITE ist das Debüt-Album von Lukas DeRungs. Mit seinem Londoner Large-Ensemble (Jazz-Quintett + Kammerchor) begibt sich der Komponist und Pianist auf eine ebenso ungewöhnliche wie spannende musikalische Reise durch ein menschliches Leben. In der Komposition verbindet DeRungs Elemente aus Jazz, klassischer Chormusik und englischer Lyrik. Entstanden ist das Album während seiner Zeit in London. In den zwei Jahren seines Studiums an der Royal Academy of Music knüpfte DeRungs Kontakte zu zahlreichen Musikerinnen und Musikern, von denen einige auf dem Album zu hören sind.

„Philosophische Themen haben mich schon immer fasziniert, zum Beispiel die Vorstellung von Unendlichkeit oder die Frage nach der Rolle des Einzelnen im großen Ganzen“, so DeRungs. Konzipiert ist das Album als Reise durch verschiedene emotionale Zustände. „Es geht um Dunkelheit und Licht, Leben und Tod, endlose Leere, Liebe und Vertrauen. Ich habe versucht, das Leben eines Menschen mit dem eines Sterns zu vergleichen. So wie im Universum wechseln sich Ordnung und Chaos phasenweise ab“, erklärt DeRungs.

Seine Suite besteht aus fünf Teilen: Funke (SPARK), Explosion (BLAST), Empathie (LIFE), Angst (VOID) und Heimkehr (HOME). SPARK beginnt als Wechselspiel zwischen Chorgesang und Klavier. „Am Anfang ist alles noch neu und leise, steigert sich im Verlauf aber immer weiter, es entsteht Spannung, die sich im zweiten Satz BLAST entlädt – alles explodiert. Ein Prozess, wie er im menschlichen Körper ebenfalls ablaufen kann – wenn die Emotionen so lange hochkochen, bis sie irgendwann ausbrechen. Stell dir vor, du bist ein Teenager in einem endlosen Lockdown. Du willst raus in die Welt, suchst Verbindung zu anderen Menschen, aber du bist eingesperrt. Gefühle von Wut und Aggressionen brechen sich irgendwann Bahn“, so der Komponist.

BLAST beginnt mit „Exploded Stars“, einem Gedicht von Kamilah Aisha Moon. Dieses geht nahtlos in ein Chor-Glissando über, kulminiert in einem großen Schrei, dicht gefolgt von einer kollektiven freien Improvisation der Band. Im dritten Satz kehrt Ruhe ein und LIFE beginnt. „Auch das lässt sich mit einer menschlichen Lebensphase vergleichen. Das Leben geht weiter, jedoch in einem größeren Kontext. Vielleicht beginnt man, sich weniger um sich selbst zu drehen, mehr Verantwortung für Andere zu übernehmen. Für die eigenen Kinder zum Beispiel, für die man alles tun würde“, erklärt DeRungs.

In VOID geht es um die Angst vor dem Tod. „Je älter man wird, desto mehr wird einem bewusst, dass man eines Tages sterben muss. Vielleicht hat man große Einsamkeit erlebt oder andere prägende Ereignisse.“ Bei der musikalischen Umsetzung macht auch hier ein Gedicht den Auftakt – in diesem Fall das stimmungsvolle „Hymne“ von Dominique De Groen. Es beginnt mit dem Satz „Electricity is running through my veins“. Im weiteren Verlauf vermischt sich die Sprache mit melancholischen Klavier-Arpeggios, entwickelt sich über ein Trompetensolo hin zu einem perkussiv gesprochenen Klangmeer und verliert sich schließlich in Wortfetzen und Geräuschen.

HOME hat laut DeRungs mehrere Bedeutungen. „Vielleicht eine Rückkehr zu geliebten Menschen nach einer langen Reise – oder die buddhistische Idee des Nirvanas – oder die christliche Vorstellung vom Paradies“ Den Auftakt der Komposition bildet ein meditatives Klavier-Intro, an das sich ein Gesangssolo von Immy Churchill anschließt. DeRungs ist voller Lob über die junge Sängerin, die auch einen Text für die Suite geschrieben hat: „Sie ist einfach unglaublich. Als wir das Album aufgenommen haben, war sie erst 19. Ihre Intonation und die Klarheit ihrer Stimme haben mich enorm beeindruckt“, so der Bandleader.

Aufgenommen wurde das Album in der Londoner St. Mark’s Church, was eine Reihe von Herausforderungen bedeutete. „Wir mussten ein akustisches Setup finden, das in einem einzigen Raum für alle funktioniert hat. Es waren 20 Musikerinnen und Musiker beteiligt, von denen ich einige zuvor noch nie persönlich getroffen hatte. Ihnen musste ich nicht nur vermitteln, was ich haben wollte, sondern auch die Proben und die Aufnahmen leiten, den Chor dirigieren, den Videodreh koordinieren und dann noch selbst Klavier spielen. Es war eine extreme Herausforderung, doch es hat alles geklappt. Im Nachhinein bin ich sehr froh, mir dieses Projekt zugetraut zu haben.“

Alles funktionierte auch deshalb so gut, weil DeRungs sich auf die musikalischen Qualitäten seines Ensembles verlassen konnte. „Oren McLoughlin ist ein kompromissloser Drummer, der ‘ohne Handbremse‘ spielen kann und enormes musikalisches Talent besitzt. John Jones am Kontrabass ist ein vielseitiger und gefragter junger Bassist – weil er es schafft, dass die Musik einfach funktioniert. Gitarrist Karim Saber hat eine brillante Technik und spielt mit einer unglaublichen Energie. Er hat den Sound des Albums wesentlich mitgeprägt. Laurence Wilkins an der Trompete ist ein Phänomen. Er kann schnelle Linien spielen, aber auch aus dem harmonischen Schema ausbrechen, wenn die Musik es erfordert“. Die Chormitglieder – teilweise mit klassischem, teilweise mit Jazz-Background – stehen der instrumentalen Formation gleichberechtigt gegenüber und vervollständigen das Klangbild der KOSMOS SUITE auf eine Weise, die wenig Vergleiche zulässt.

Bleibt die Frage: hat DeRungs letztlich herausgefunden, welche Rolle der Einzelne im großen Ganzen spielt? Das, so der Komponist, müsse am Ende jeder für sich selbst entscheiden. „Ich wollte dazu nur Gedankenanstöße geben, oder meine eigenen Gedanken darin verarbeiten. Meine Großmutter hat immer gesagt, dass wir den Bezug zu den Sternen verloren haben, weil wir sie nicht mehr sehen können – weil wir in Städten leben, in denen es dafür viel zu hell ist. Auch wenn wir dem Universum letztlich egal sind, sollten wir Verantwortung für unseren Planeten und unsere Mitmenschen übernehmen. Etwas, was ich selbst noch mehr lernen möchte, ist Demut. Ich würde mich freuen, wenn meine Musik auch andere dazu inspiriert.“

Bei der Release-Tour von KOSMOS SUITE wird er von seinem Quintett und vom Jazzchor Freiburg begleitet. „Das ist mein bislang größtes Projekt“, sagt der hochtalentierte und mehrfach ausgezeichnete Pianist und Komponist, der sich darauf freut, das Stück auf die Bühne zu bringen. Eine musikalische Entdeckungsreise, die man auf keinen Fall verpassen sollte – sei es live on stage oder als Aufnahme im neuen, dreidimensionalen Dolby-Atmos-Format.

Berthold Rec /  4250647323017 / LC LC 27984 / Vertrieb: Cargo

VÖ: 28.10.2022

LIVE

28.10.2022 Mannheim, Enjoy Jazz
29.10.2022 Offenburg, Reithalle
30.10.2022 Trier, Tuchfabrik
02.11.2022 Bremen, Sendesaal
03.11.2022 Münster, Friedenkapelle
04.11.2022 Ingelheim, Kultur-und Kongresshalle
05.11.2022 Pforzheim, Kulturhaus Osterfeld

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