Marie Spaemann I Christian Bakanic – Splits & Circles

Marie Spaemann: vocals, cello

Christian Bakanic: accordion, piano

Ausdrucksstarke Musik für Kopf und Seele mit Cello, Stimme und Akkordeon.  Elegant und songorientiert zwischen den Genres, entsteht instrumentaler und gesanglicher Farbenreichtum, tiefgründige Stimmungen und strahlende Momente.

Ein Cello, eine Stimme, ein Akkordeon. Mit dieser Reduktion auf natürliche Klänge hat das virtuose Duo aus Wien erstmals vor fünf Jahren Publikum und Medien verblüfft und begeistert. Metamorphosis, das Debütalbum von Marie Spaemann und Christian Bakanic, wurde 2020 weithin gefeiert. „Eine Entdeckungsreise zwischen Kammermusik, Tango, Jazz, Pop und vielem mehr“, befand das Magazin Concerto, „…thematisch wie klanglich ungemein vielschichtig und farbenprächtig.“

Seit dem Erscheinen von Metamorphosis sind Spaemann und Bakanic erfolgreich auf verschiedenen europäischen Jazz-, Klassik- und Pop-Bühnen aufgetreten. Beispielsweise im berühmten Jazzclub Porgy & Bess und im Konzerthaus Wien, als Opener für Diana Krall, beim Schleswig-Holstein Musik Festival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, der Styriarte in Graz und der Amsterdamer Cellobiennale. Ihr vielgestaltiges Spiel und die Intensität von Spaemanns Gesang sind also hinlänglich bekannt. Ebenso, dass das Duo die musikalische Geschichte von Cello und Akkordeon in seinen Stücken anklingen lassen kann, beide Instrumente aber auch auf sehr variable und individuelle Art einsetzt.

Das neue Album, Splits & Circles, zeigt eine deutliche Entwicklung, nicht nur in Nuancen. So gibt es nun einige Titel, in denen Spaemanns warm timbrierte, soul-getränkte und dynamische Stimme von Bakanic am Klavier begleitet wird. Diese Kombination, aber auch einige melodische und harmonische Facetten lassen das aktuelle Repertoire insgesamt etwas Song-orientierter erscheinen. Gleichzeitig leuchten die charakteristischen Klangfarben des Duos immer wieder auf, die Palette ist also insgesamt noch vielfältiger geworden. Was auch für den Gesang gilt. „Wenn Marie in manchen Passagen aufs Cello verzichtet, singt sie noch freier, nähert sich in Phrasierung und Ausdruck noch mehr dem Jazz“, freut sich Bakanic, „dadurch können Stücke wie Peace Of Wood live jedes mal anders klingen.“

Tatsächlich war gerade für Peace Of Wood die besagte instrumentale Erweiterung essentiell. „Es ist ein Song an mein eigenes Cello, mit dem ich in 20 Jahren schon so viel erlebt habe“, erklärt Spaemann. „Zwar habe ich in den vergangenen Jahren einige Abstecher weg von der Klassik und vom Cello unternommen, bin aber immer wieder zurück gekommen. Der Songtext drückt meine große Liebe zu dem Instrument aus, deswegen wollte ich es nicht gleichzeitig auch noch spielen.“

Anders als beim Debüt haben Spaemann und Bakanic diesmal viele Stücke gemeinsam geschrieben oder zumindest während Sessions gemeinsam ausgearbeitet. Es ist auch dieser Arbeitsprozess, aus dem die in Teilen gewandelte Ästhetik resultiert, ebenso wie persönliche Einflüsse und Inspirationsquellen des Duos. „Neben meiner ständigen Beschäftigung mit Klassik habe ich eine große Liebe für souligen Pop, von Billie Eilish über Willow Smith bis India Arie“, erklärt Spaemann, „außerdem fasziniert mich, wie grenzenlos Pop und andere Musikstile inzwischen sein können. Es gibt so viele Ausbrüche aus Genres, viele Stilmittel werden verbunden, was wahrscheinlich daran liegt, dass man heutzutage Zugriffe auf alles Erdenkliche hat. Daraus resultiert eine enorme künstlerische Freiheit.“ Und Bakanic, nach wie vor ebenso Fan von traditioneller Musik und Radiohead, ergänzt: „Wir lieben aber auch das Klassische, also bestimmte überlieferte und festgeschriebene Stilistik.“

Diese Balance lässt sich in vielen Aspekten des Albums erkennen. Etwa in der Art, wie das Duo ebenso unauffällig wie ausgefuchst mit ungeraden Rhythmen umgeht, beispielsweise Grooves in 5/8 für Little One und Prelude kreiert. Oder auch wie Bakanic ausgewählte Akkordeon-Traditionen durchschimmern lässt. Horizonte weist subtil-unterschwellig in Richtung Tango, die Fugata (in 7/8) kreiert einen Mix aus Balkan-, Jazz- und Tango-Einflüssen, ebenso ist Bach darin zu erkennen. Wiederum ganz eigene Geschichten erzählen drei auf dem Album verteilte Interludes, die ihrerseits munter Metren verwirbeln. Das verspielte Interlude 3 beispielsweise ist inspiriert von Marie Spaemanns Reisen durch Tansania und Guinea.

Inhaltlich schaut Splits & Circles mal nach außen, mal reflektiert Marie Spaemann in ihren Texten über den eigenen Mikrokosmos. „Anfangs dachten wir, dass Album nur Circles zu nennen, doch dann kam der Song Split dazu. Je nach dem, wohin man sieht, gibt es eben Trennendes und Inklusives in der Welt“, sinniert Spaemann. „Circles blickt auf die Zeit der Pandemie zurück. Als wir in den Lockdowns waren, in Kreisen gingen, uns unserer eigenen Muster bewusst wurden und versucht haben, darin auch Chancen zu sehen, uns neu zu verknüpfen.“ Split dagegen greift die Tragik auf, dass Menschen wegen vermeintlich völlig konträrer Ansichten nicht mehr miteinander sprechen wollen. „Eine ähnliche Zerrissenheit wie während Covid findet sich inzwischen auch in anderen Auseinandersetzungen, ob innerhalb von Familien oder zwischen Nationen“, konstatiert Spaemann. Die dadurch ausgelöste Melancholie vermitteln auch andere Texte, etwa die wenigen Zeilen von Interlude 2. Andererseits findet Spaemann auch immer wieder zum Positiven, mal als Kontrapunkt im selben Text, mal ganz für sich stehend wie im poetischen Liebeslied Syllables. „Bestimmte Aspekte der aktuellen Gesellschaft, besonders in der Gen Z, empfinde ich tatsächlich als sehr inspirierend: wenn ganz unterschiedliche Leute Gleichgesinnte finden und Freundschaften oder Communities bilden.“ Selbstoptimierungs-Hypes zu hinterfragen oder sich mit dem inneren Kind (Little One) zu versöhnen, sind weitere Themen der neuen Songs.

Aus einer ganz anderen Perspektive greift Spaemann bei Last Stream Of Sun das Thema Spaltung auf. Der Song geht zurück auf den Creative Music Award, den sie 2022 gewonnen hat. „Ein Kriterium für Einreichungen war, ein Thema aus Verdis Nabucco zu verwenden. Während ich überlegte, was ich daraus machen wollte, hatte Russland seinen Krieg gegen die Ukraine angefangen. Ich las die Fluchtgeschichte einer ukrainischen Mutter und ihrem Kind, die mich tief beeindruckte und mir zu Verdis Gefangenenchor zu passen schien.“ Mit dem ihr eigenen Optimismus fügte Spaemann der Flucht-Szenerie das Bild der energiespendenden Sonnenstrahlen hinzu. Als Gastmusiker verdichtet der Ukrainer Andrej Prozorov mit lyrischen Sopransaxofonlinien die Atmosphäre.

Mit Splits & Circles ist Marie Spaemann und Christian Bakanic erneut ein herausragendes, sehr eigenständiges Album gelungen. Elegant bewegen sie sich zwischen den Genres, kreieren instrumentalen und gesanglichen Farbenreichtum, tiefgründige Stimmungen und strahlende Momente. Ausdrucksstarke Musik für Kopf und Seele.

Marie Spaemann & Christian Bakanic

Preiser Records / PR91682 / LC00992 / 717281916820 / Vertrieb: Preiser Records

 VÖ: 17.10. 2025

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