Mirna Bogdanovic – Awake

Opulente, eher unübliche Harmonien zeugen von ihrem Faible für Melancholie. Die Jazz-Sängerin und Komponistin Mirna Bogdanović kennt weder Grenzen noch Berührungsängste.

In ihren Stücken sind deutlich Singer-Songwriter-, Indie-, Electronic-, Soul-, Neo-Soul- R&B- und Hiphop-Elemente erkennbar.

 

Ein Trennungsdrama und andere persönliche Erfahrungen. Das sind die Themen, die die Sängerin und Komponistin Mirna Bogdanović auf ihrem zweiten Album AWAKE verarbeitet. Die Kompositionen darauf erwachen durch ihre verführerische Stimme zum Leben – und durch das große Lineup. Neben Povel Widestrand (Klavier und Synthesizer), Peter Meyer (Gitarre und Effekte), Felix Henkelhausen (Kontrabass und E-Bass) und Philip Dornbusch (Schlagzeug und Percussion) hat sich die gebürtige Slowenin mehrere Gastmusiker ins Studio geholt: Asger Nissen (Altsaxofon), Paul Santner (Ukulele) und das Rothko String Quartet, bestehend aus Majella Münz, Marc Kopitzki, William Overcash und Joosten Ellee.

Gemeinsam schlägt das Ensemble auf AWAKE einen fesselnden musikalischen Spannungsbogen. Textlich geben die Stücke einen tiefen Einblick in Bogdanovićs Seelenzustand, nachdem sie sich 2019 von ihrem Partner getrennt hatte. Clocks blickt auf die Zeit zurück, in der sie sich in einer Existenzkrise wähnte. Sie hatte das Gefühl, dass wertvolle Lebenszeit verrinnt, ohne sie angemessen zu nutzen. „Das Stück greift aber auch den inneren Konflikt auf, den ich als freie Künstlerin erlebe. Das ist eben kein typischer 9 to 5 Job, wie ihn viele andere Menschen haben. Oft hat man das Gefühl, dass das Leben an einem vorbeizieht, ohne wesentlichen Einfluss darauf zu haben. Stattdessen schwebt man in seiner eigenen kleinen Blase.“

 

On My Own handelt von der Zeit der Einsamkeit, nachdem ihre Beziehung in die Brüche gegangen war. „Ich steckte emotional fest“, blickt Bogdanović auf diese für sie schwierige Phase zurück. „Am Anfang drückt die Komposition vor allem die Trauer aus. Doch dann entwickelt sie sich immer mehr in Richtung Rock-Song, der sich am Ende wie Wut entlädt“, so die Komponistin. Moving on blickt auf die Beziehung zurück. Gefühle von Schmerz und Trauer werden langsam von der Phase des Loslassens abgelöst. In Dancing in the Dark geht es weniger ums Tanzen, „sondern mehr um die Furcht davor, eine neue Partnerschaft einzugehen. Zu Beginn ist man ängstlich, vor allem, wenn einem der Partner unklare Signale sendet. Das führte mich in eine Beziehung mit einem emotionalen Eisblock“, erklärt sie.

In Finding Closure – der ersten Single-Auskopplung des Albums – arbeiten eine aufsteigende Gesangsmelodie und ein absteigendes Keyboard-Motiv gegeneinander, eingehüllt in einen Groove, der etwas aus dem Takt geraten zu sein scheint. „Eigentlich ist es ein fröhlicher Song, der mit einer leicht melancholischen Note durchsetzt ist“, beschreibt die Komponistin.

Auf Crazy Chords beweist Bogdanović, dass sie ihre Gefühlswelt nicht nur mit ihren poetischen Texten, sondern auch über ihre Musik eindringlich ausdrücken kann. „Der erste Teil ist von schnellen Akkordwechseln und komplexen Harmonien geprägt, über die ich eine einfache Melodie singe. Der zweite Teil – der nur aus vier Akkorden besteht – klingt eher luftig und lyrisch, ehe wir zum wilden Auftakt zurückkehren.“

Der Instrumentaltitel May ist eine Anspielung auf ihre Lieblingsmonat Mai und die Zeit, in der sie klassische Musik auf dem Klavier gespielt hat. „Ich habe viel Debussy und Chopin gespielt“, erinnert sie sich und ergänzt: „Das Stück klingt dissonant, hat aber sehr wohlklingende Harmonien. Da ist der Einfluss von Debussy hörbar, wenn auch unbeabsichtigt.“

Mit dem Klavier spielen hat Bogdanović begonnen, als sie sieben Jahre alt war. Ihre Mutter ist Slowenin, ihr Vater Bosnier. „Ich war erst zwei Jahre alt, als wir vor dem Krieg flüchten mussten. Das hat mein Leben in Maribor enorm beeinflusst und war kein leichter Start. Meine Eltern haben durch den Krieg ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Danach haben sie ein Unternehmen gegründet und Tag und Nacht geschuftet, um es aufzubauen. Was erklärt, warum ich keine Geschwister habe“. Das Stück Only Child ist ein Musterbeispiel dafür, wie sie ihre Stimme einsetzt. „Wie häufig in meinen Stücken, erfüllt sie hier eine doppelte Funktion: als Transporteur für den Text und als instrumentale Stimme, die den Bandsound ergänzt.“

In ihrem Elternhaus wurde viel Musik gehört, allerdings kein Jazz, sondern vor allem Balkan-Rock, den ihr Vater spielte. Im Rückblick sieht sich Bogdanović zwar als sehr gute Klavierschülerin – eine Karriere als klassische Pianistin schien dennoch unrealistisch. Nach Erfahrungen als Sängerin in diversen Rock- und Popbands verspürte sie den Drang nach mehr musikalischer Komplexität, der sie zum Jazz führte. Ihr Jazzgesang-Studium absolvierte sie in Österreich und Berlin, wo sie bis heute lebt. Beim Komponieren kennt sie weder Grenzen noch Berührungsängste. In ihren Stücken finden sich Einflüsse von der Klassik bis zum Jazz – in traditioneller und moderner Form. Zudem sind Singer-Songwriter-, Indie-, Electronic-, Soul-, Neo-Soul- R&B- und Hiphop-Elemente erkennbar. Opulente, eher unübliche Harmonien zeugen von ihrem Faible für Melancholie. „Ich möchte, dass meine Musik neu und frisch klingt. Und sie soll grenzenlos sein, denn ich möchte mir keinerlei Verbote oder Einschränkungen auferlegen“, betont sie.

https://www.mirnabogdanovic.com/

Berthold Records  BR323079 / LC 27984 / 4250647323079 / Vertrieb: Cargo

 VÖ 12.05.23

LIVE

24.05.2023 Berlin, A-Trane
25.05.2023 Leipzig, Nato
30.05.2023 Marburg, Cavete

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