Montau – Black Forest Glitter
Ihre Stimme bringt sich auf Anhieb in Erinnerung und generiert doch zugleich neue Ausblicke.
Mit Montau erbaut Judith Heusch (ex Patti Moon) einen neuen fiktiven Ort, der ihren Songs künftig Heimat und Ausgangspunkt gibt. Die Transparenz, Weite und Sphärik skandinavischer Musik sind auf „Black Forest Glitter“ unüberhörbar.
Diese Stimme bringt sich auf Anhieb in Erinnerung und generiert doch zugleich neue Ausblicke. Es ist unverkennbar das Idiom von Judith Heusch, bis 2017 der poetischen Markenkern der deutschen Band Patti Moon. Worte lassen sich wie Federn von musikalischer Thermodynamik durch die Sphären tragen, ihr Antrieb aus reinem Lumen hebt die Schwere und Tiefgründigkeit der Texte gleichzeitig auf und hervor. Judith Heusch ist eine Meisterin der Balance aus Klang und Wort. Melancholie und Neugier halten sich ebenso die Waage wie Spaß und Nachdenklichkeit.
Nach all den Erfolgen mit Patty Moon brauchte Judith Heusch eine Pause, um über Sinn und Perspektiven ihres Tuns nachzudenken. Zum Glück kam sie zum Schluss, dass Musik sie nicht loslässt. Doch die Geschichte von Patty Moon war auserzählt. Mit Montau erbaut Judith Heusch einen neuen fiktiven Ort, der ihren Songs künftig Heimat und Ausgangspunkt gibt. Sie will nicht weiter zurückschauen müssen, sondern allein zum Ausdruck bringen, was sie in Gegenwart und Zukunft bewegt.
Die Songs von Montau bedürfen keiner Schubladen, denn jede Einordnung oder Kategorisierung könnte immer nur zu Missverständnissen führen. Wenn man überhaupt eine Vokabel für das Unbenennbare finden wollte, dann wäre es Einladung, denn Judith Heuschs Stimme umarmt Befindlichkeiten, bestätigt Erinnerungen und öffnet sich Erwartungen. Man meint die Songs augenblicklich zu kennen, ja sogar längst verinnerlicht zu haben, und doch sind sie selbst beim zwanzigsten Hören immer noch völlig neu und voller Überraschungen. Große melodische Bögen wölben sich über eine Fülle mikroskopischer Details. Harmonisches und Beseeltes wird von Störgeräuschen konterkariert, Kontraste lösen sich in Einvernehmen auf und umgekehrt, und doch ergibt die Gesamtheit all dieser handverlesenen Gegensätze immer eine holistische, in sich stimmige Welt, in der die Fantasie ihre Flügel ausbreiten kann.
Die Transparenz, Weite und Sphärik skandinavischer Musik sind auf „Black Forest Glitter“ unüberhörbar. Angesichts des Titels stellt sich jedoch die Frage, was die borealen Klanganmutungen im titelgebenden Schwarzwald zu suchen haben? Judith Heusch will sich mit Montau nicht topografisch festlegen. Sie nimmt sich die Freiheit, ihre Imagination frei ausschweifen zu lassen. Die Sehnsucht und Einsamkeit der nordeuropäischen Musik lässts ich auch in den knisternden Tiefen mitteleuropäischer Waldlandschaften abbilden. „Die Bilder ähneln sich“, betont die Stimmmalerin. „Die Melancholie, die dem Norden zugeschrieben wird, kann der Schwarzwald auch. Ich finde es schade, dass man den Blick immer nur nach Norwegen und Schweden richtet, aber ich wollte einfach mal die Perspektiven wechseln.“ Montau liegt hoch oben auf dem Berggipfel, tief in der Enge eines Tals, mitten im Wald, in der ewigen Weite der Tundra, an der Küste des Ozeans, im Eis der Arktis, im hektischen Wirrwarr einer Großstadtkreuzung, im Nordsüdostwesten.
Was der Norden an Mythen und Mystik in petto hat, übersetzt Judith Heusch mit immer neuen Scharnieren in ein variables Wechselverhältnis aus Illusion und Realität, Transzendenz und Lebensnähe. Am Ende trägt die Fantasie stets unangefochten den Sieg davon. Was hier wie eine in der Zeit kondensierte Momentaufnahme klingt, hat eine lange Geschichte. Der Impuls zu den Songs beruhte auf der sehr persönlichen Erfahrung, dass man mit der Energie von Musik Menschen positiv beeinflussen kann. Lieder entstanden am Klavier, zunächst noch ohne die Absicht, ein Album daraus zu machen. Weitere Stücke kamen hinzu, fügten sich zu einem Mosaik und nahmen in ihrer Gesamtheit Gestalt an, erst als EP und dann als komplettes Album. All das brauchte Zeit. Menschen stießen hinzu wie die beiden Produzenten Frank Schultz und Max Neuenburg, die den Songs ihre unterschiedlichen Stempel aufdrückten, ihre jeweiligen Stärken grundierten, konturierten und pointierten und sich selbst gegenseitig ergänzten. Zu den weiteren Gästen der Produktion gehören unter anderem der norwegische Tubist Daniel Herskedal, Cellistin Silke Täubert, Geigerin Karoline Weber und Posaunist Alexander Sehringer. Jede einzelne Stimme wird filigran in das Gesamterlebnis eingewoben, um das sehende Ohr zwischen physischer Griffigkeit und metaphysischer Gedankenverlorenheit buchstäblich hinters Licht zu führen.
Der Bewusstseinsstrom auf „Black Forest Glitter“ hat etwas sehr Offenbarendes. Judith Heusch macht aus ihrer inneren und äußeren Verletzlichkeit keinen Hehl, wahrt aber ausreichend Distanz, um die Hörer nicht zu Geiseln ihrer Befindlichkeit zu machen. Mit jedem Song geht sie so weit wie es geht. Gemeinsam mit ihren Produzenten bricht sie jede Aussage auf die absolute Essenz herunter. Die daraus resultierende radikale Poesie kann ebenso schmerzhaft wie befreiend sein, nicht selten beides zugleich. Oft sind es winzige Details, die den Songs ihre innere Strahlkraft verleihen. Judith Heusch macht es ihren Hörern leicht, indem sie es ihnen eben nicht leicht macht.
„Black Forest Glitter“ zeugt von einer hintergründigen Magie, die einen somnambulen Sog auslöst. Man verfängt sich in diesem Funkeln, Glitzern und Schimmern und möchte ihm nie wieder entrinnen. Jeder Song beschreibt mit einer unverwechselbaren Farbpalette seine individuelle Landschaft, und doch bleibt man beim Hören immer auf seinen eigenen Füßen, ohne je nach Landschaft das Fahrgestell wechseln zu müssen. Montaus Klangwelt stellt die richtigen Fragen, ohne immer die passsenden Antworten parat zu haben. Nicht zuletzt deshalb ist „Black Forest Glitter“ ein Album, das dem Hörer und dem Hören selbst immensen Respekt entgegenbringt, der jeden einzelnen Moment auf dieser Platte zu einer Kostbarkeit macht.
Montaumusic LC 102931 4260146165452
Vertrieb: montaumusic.bandcamp.com
VÖ: 7.11.2025