Nina Ernst – Dunkles Licht

Nina Ernst zeigt, dass erst dunkles Licht die Farben leuchten lässt. Die Ambivalenz des bittersüßen Zwielichts.

Geradewegs aus der Seele geschüttelt blicken die Songs geheimnisvoll poetisch und melancholisch schön, aber auch humorvoll und heiter ironisch, auf die Welt.

Der Berliner Sängerin und Schauspielerin Nina Ernst war es in Deutschland zu dunkel.  Darum ist sie nach Brasilien gegangen und hat dort eine erstaunliche Karriere gemacht.  Denn ihr im Mutterland der Bossa Nova aufgenommenes Album „Nina Ernst canta Jobim“ (Label: Fina Flor) wurde von den einheimischen Experten nicht als anmaßend verrissen sondern in höchsten Tönen gelobt, es folgten mehrere erfolgreiche Tourneen durchs Tropenland, bei denen sie in verschiedenen Shows brasilianische Musiktraditionen mit deutschen Popklassikern unterschiedlicher Epochen verknüpfte.

Doch dann kam die Pandemie, die große Entschleunigung. Wo zuvor die ganze Welt bunt gefärbt, lichtlöslich, sonnenlöslich, sommerlöslich war, erstreckte sich plötzlich eine unendlich und unheimlich erscheinende Düsternis. Doch Nina Ernst weiß als Kennerin der vielfarbig-hell strahlenden Sonne Brasiliens längst auch das Kolorit der Dunkelheit zu schätzen. Ohne Dunkel gibt es schließlich kein Hell, keine Farben. Hell und Dunkel sind nicht dasselbe und doch schließen sie einander nicht aus. Das ist die Ambivalenz des bittersüßen Zwielichts. Und weil doch jemand im Funkeln der Farben die Dunkelheit verteidigen muss, nutzt Nina Ernst die ruhige Phase, um rund um diese tröstende Erkenntnis neue Lieder mit eigenen Texten zu schreiben. Geradewegs aus der Seele geschüttelt blicken sie geheimnisvoll poetisch und melancholisch schön, aber auch humorvoll und heiter ironisch, auf die Welt.

Und ja, auch auf die Liebe, natürlich. Diese ist ja mindestens so ambivalent wie die Dunkelheit. So sieht Nina Ernst etwa durch „Das Fenster“ auf Leerstellen: „Das Fenster ist alt, es beobachtet nur als Auge im Weltmeer der Zeit, es lauscht dem ewigen Ticken der Uhr -und das Fenster sah uns mal zu zweit.“ Doch runterziehen lässt frau sich davon nicht, da gibt sie lieber „das Männern auf“ oder nimmt sich die eigenwillige Souveränität der Katzen zum Vorbild („Wenn ich ein Kätzchen wär“), wobei sich die Noten dabei keckerweise in den Gehörgang anschmiegen wie eine schmusewillige Hauskatze.

Musikalisch beinhalten die deutschsprachigen Chansons verschiedene Elemente aus Jazz, orientalischen Klängen sowie klassischem Liedgesang. Und weil die brasilianische Ambivalenz der „Saudade“, also diese unstillbare Sehnsucht nach dem Abwesenden, die Stimmung vieler ihrer Lieder recht gut trifft, interpretiert Nina Ernst gleich auch kongenial zwei wunderschöne Songs ihrer brasilianischen Sängerkollegin Mônica Salmaso, die von den Komponisten Nelson Ayres und André Mehmari / Tiago Torres da Silva geschrieben wurden.

Doch auch wenn die Grundstimmung eher Moll als Dur ist, suhlt sich „Dunkles Licht“ nicht in schwermütiger Traurigkeit. Denn Nina Ernst zeigt, wie auch das Dunkle leuchten kann. Wie Gesichter, wie Gärten, wie Gedanken leuchten können. Nur tun sie es eben vor allem im Widerschein des Wissens um die Nacht. Gut, diese ist potenziell „grausam, finster und kalt“ (wie es im Song „Dein Garten“ heißt), aber doch auch Raum von Ekstase, Rausch und Genuss: „Im dunklen Licht möchte ich tanzen, möchte den Vollmond drehen sehn, will mich berauschen, besaufen und so viel Gin mir kaufen, bis die Leute alle gehen.“ Geradezu beschwingt erklingt so das Titellied des Albums „Dunkles Licht“ im perlenden Klavierspiel ihres Co-Komponisten Tino Derado, der die zwischen

Nachdenklichkeit, Saudade und heiter gestimmten Augenzwinkern changierenden Songs arrangiert und mit weiteren hochkarätigen Jazzmusikern eingespielt hat. Nina Ernst zeigt, dass erst dunkles Licht die Farben leuchten lässt. Auch das Meer ist ja am blauesten, wenn der Himmel schon gewitterschwarz ist, die Sonne aus einer Lücke aber trotzdem noch aufs Wasser scheint. Gewissermaßen fängt „Dunkles Licht“ dieses Phänomen in Text und Tönen ein. Und das ist doch eine sehr heiter stimmende Aussicht.

(Text: Friedhelm Teicke)

„Nina Ernst hat eine ätherische, spirituelle Stimme und ihre Kompositionen sind von großer Originalität. Brasilianischer Bossa ist ein starker Einfluss, der in Verbindung mit schönen Schichten von Hall und Delay eine Musik von sehr origineller Ästhetik hervorbringt.“

(Ed Motta)

Besetzung: Nina Ernst (Gesang), Tino Derado (Piano), Max Hacker (Flöten, Klarinette, Saxophon), Raphael J. Zweifel (Cello), Andreas Weiser (Perkussion)

Tonmischung: Andreas Weiser

Tontechnik und Mastering: Marian Hafenstein

Aufgenommen im Jazzanova Recording Studio, Berlin (2022)

Produziert von Nina Ernst

Das Projekt wurde gefördert durch Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Neustart Kultur und GEMA.

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GLM / Fine Music  FM 386-2 / LC11188 / 4014063438621 / Vertrieb: Edel

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VÖ: 22.03.2024

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