Terese Lien Evenstad – Movement

Eine Komponistin von großer Musikalität und Leidenschaft – und eine Künstlerin, die der Geige im Jazz ein neues Gesicht gegeben hat.  Modern, atmosphärisch und eine spannende Nachwuchsmusikerin.

 

Wie sehr eine Reise ins Innere einer Tropfsteinhöhle die Fantasie beflügeln kann, zeigt „Movement“ – das neue Album von Terese Lien Evenstad. Zusammen mit ihrem Ehemann Alexander Ivarsson verbrachte die schwedische Violinistin ihren Sommerurlaub in Italien. Der führte die Beiden unter anderem nach Sardinien in das rund fünf Kilometer lange, von Wasser geformte Höhlensystem „Grotta del Bue Marino“. „Das war nicht nur eine enorm beeindruckende, sondern auch augenöffnende Erfahrung, die für mich als Metapher für die Corona-Jahre dient. So wie Wasser seinen Weg durch massives Gestein findet und Neues entstehen lässt, können sich Menschen aus schwierigen Situationen herausmanövrieren“, erklärt Evenstad.

Ihre Zeit in Italien hat sie als regelrechte Frischzellenkur erlebt. Als Ausbruch aus dem Hamsterrad zwischen Arbeit, Übungs-Einheiten und Konzerten, in dem alles in Hochgeschwindigkeit abläuft und wenig Zeit für Kreativität bleibt. „In Italien flogen mir die Melodien förmlich zu – ob in der Grotte, am Strand oder auf unserem Balkon mit Blick aufs Meer. Ich summte die Melodien und nahm sie mit meinem Smartphone auf. Daraus haben Alexander und ich Melodien und Arrangements entworfen. Aber auch unser Drummer Peter, der eine Professur für Komposition hat, war eng in den Prozess eingebunden“, blickt Evenstad auf die Entstehung des Albums zurück.

Im Mittelpunkt der Stücke steht ihr facettenreiches Geigenspiel, das Britta Virves (Klavier), Arvid Jullander (Kontrabass), Peter Danemo (Schlagzeug) und Gastmusiker Alexander Ivarsson (Klarinette) perfekt ergänzen. Das Stück United erinnert musikalisch an einen Hochzeitsmarsch. „Doch natürlich wissen wir, dass weder die Liebe noch die Ehe ein Spaziergang sind, sondern dass es darauf ankommt, ein gutes Gespann zu sein, das sich gegenseitig unterstützt“. Nemesis geht auf das Faible der Komponistin für Mysterien und Vorahnungen zurück. „Ich hatte meine Nemesis, als auf mir gewaltiger Druck lastete, weil die Stücke rechtzeitig zu den Aufnahmen fertig sein mussten. Nemesis bedeutet Erzfeind – und der kann sich auch in deinem Kopf befinden und dich verfolgen. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, ist, andere Richtungen einzuschlagen und dein Mindset zu verändern.“

Eine wichtige Inspirationsquelle für Evenstad waren Erlebnisse in der Natur. „Ich erinnere mich an einen magischen Moment auf einer Waldlichtung. Das war wie ein Lichtstrahl, der in einem völlig unerwarteten Moment erstrahlte und dazu führte, dass ich mich voll und ganz auf dieses Naturschauspiel fokussieren konnte. Daraus wurde der Song Glade. Flow wiederum beschreibt einen kleinen Fluss und die beruhigende Wirkung seines Plätscherns. Im meditativ anmutenden The Hills Have Eyes kann man die Berglandschaften förmlich vor sich sehen. „Wenn wir uns vorstellen, dass die Berggipfel Augen hätten – wovon würden sie uns erzählen?“, fragt Evenstad.

Als Kind hat die Komponistin viel Zeit in den Bergen von Norwegen verbracht, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Als sie elf Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit ihr nach Schweden, wo sie bis heute lebt. Mit sieben Jahren fing sie an, Geige zu spielen. Danach spielte sie zunächst einige Jahre klassische Musik, bis sie im Jugendalter den Jazz für sich entdeckte, den sie später in Arvika auf dem „Ingesund College of Music“ auch studierte. Ihre Bandkollegen lernte sie auf dem „Royal College of Music“ in Stockholm kennen, an dem sie 2016 ihren Abschluss machte.

„Mit Jazz habe ich die Musik gefunden, mit der ich mich perfekt ausdrücken kann“, erklärt sie und ergänzt: „In der Klassik kommt es vor allem darauf an, möglichst perfekt zu spielen. Das hat auch seinen Reiz, ist aber etwas ganz Anderes. Im Jazz kann ich meine eigenen Geschichten mit meiner Musik erzählen und dabei verschiedene Genres kombinieren.“ So wie in der Komposition Baba Jaga, in der sich deutliche Folk-Einflüsse hören lassen. Sie bezieht sich auf eine Geschichte in der slawischen Mythologie. Darin entführt, kocht und verspeist eine Hexe (die Baba Jaga) ihre zumeist sehr jungen Opfer. „Der Mythologie nach fliegt sie auf einem Mörser und rührt mit einem Stößel darin herum – was ich als Idee für den Groove verwendet habe“, erklärt Evenstad.

Ihre Kompositionen werden in der Presse als „moderner, atmosphärischer Jazz“ beschrieben. Als „facettenreich mit pulsierender Energie und mit Melodien, die Bilder in den Köpfen der Zuhörer entstehen lassen“ (Alexander Agrell in der „Sydsvenskan“). Andere loben sie als „Komponistin von großer Musikalität und Leidenschaft – und als Künstlerin, die „der Geige im Jazz ein neues Gesicht gegeben hat“. Für die schwedische Komponistin und Gitarristin Janne Schaffer zählt Evenstad aufgrund ihrer Fantasie und ihrem Improvisationstalent „zu den besonders spannenden und interessanten Nachwuchsmusikerinnen.“

 

Berthold Records / LC 27984 / 4250647323116 / Vertrieb: Cargo

VÖ: 21.4.2023

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